© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/21 / 14. Mai 2021

Vom Kriegsgerät zum Museum
Ausstellungen in Bunkern, Flugzeugträgern & Co. ziehen weltweit Touristen an
Bernd Rademacher

Technische Innovation dient nicht immer friedlichen Zwecken. Der Krieg beschäftigt nicht nur Strategen, sondern auch Ingenieure. Ihre Konstruktionen strahlen auch über den Kampf hinaus eine Faszination des Grauens aus, weil sie technische Finesse, imposante Kraft und martialisches Design verbinden. Weltweit führt manch pensioniertes Kriegsgerät ein zweites Leben als Museum, so wie das U-Boot U995 der deutschen Kriegsmarine in Laboe an der Kieler Förde – vom Kampf-Instrument zum Touristen-Tip.

Im Kalten Krieg entwickelten die Sowjets einen „Ekranoplan“, ein Flugzeug-Schiff-Hybrid. Das Ungetüm war 90 Meter lang bei 37 Metern Flügelspannweite und huschte mit 500 km/h in nur vier Metern Höhe unterm Radar übers Kaspische Meer. Die US-Aufklärer rätselten jahrelang, was da fliegt und nannten das bizarre Ding ratlos „Kaspisches Seemonster“. Da hoher Wellengang das Luftkissen des Monsters aufhob, versank das einzige Exemplar 1980 fast. Vermutlich wegen dieses Fehlschlages wurde nie ein zweites Modell gebaut. Das Wrack verrottete seitdem am Strand von Kaspijsk in der salzigen Seeluft. Doch im vergangenen Jahr wurde es geborgen und nach Derbent verbracht. In dem Küstenort am Südzipfel der Republik Dagestan soll ein touristischer Militärpark entstehen, und der kuriose Ekranoplan wird die Hauptattraktion.

In der Lüneburger Heide bei Munster liegt nicht nur ein großer Truppenstandort und Übungsplatz der Bundeswehr, sondern seit 1973 auch Deutschlands einziges Panzermuseum. Das Haus beherbergt eine Lehrmittelsammlung für Panzertruppen und Heeresaufklärer. Über 180 Großfahrzeuge zählen zu den Exponaten, natürlich so legendäre Kampfwagen wie Tiger und Leopard. Auch der „Wotan“, der erste deutsche Panzer aus dem Ersten Weltkrieg, ist zu besichtigen. Daneben zeigt die Ausstellung Ausrüstungs- und private Gegenstände wie Ausbildungs-Lehrbücher, Glücksbringer, Uniformen oder Kriegsanleihen. Ehrenamtliche „Hobbykommandanten“ erhalten den technisch-optisch hervorragenden Zustand der Fahrzeuge. Die Sammlung bietet einen guten Überblick über den Fuhrpark von Reichswehr, Wehrmacht, NVA und Bundeswehr. Typisch für die Bundesrepublik, geht das natürlich nicht ohne moralische Verkniffenheit und Verrenkungen.

Wesentlich unbekümmerter geht es im kalifornischen San Diego zu. Dort kann man als Tourist nicht nur das berühmte Meeresaquarium besuchen, sondern auch den Flugzeugträger USS Midway der US Navy. Das gigantische Schiff mit dem weit schräg auskragenden Flugdeck hat eine bewegte Geschichte. Die Midway war im Pazifik stationiert und wurde im Vietnamkrieg und im Zweiten Golfkrieg eingesetzt. 1992 wurde sie nach 47 Dienstjahren in den Ruhestand geschickt. Nun ist sie ein schwimmendes Museum und zieht jährlich Hunderttausende an, die rund 20 Euro für einen Besuch bezahlen, um die beeindruckenden Dimensionen auf sich wirken zu lassen. Allein die Glieder der Ankerketten sind mannsgroß. Beim Reiseportal Trip Advisor bekommt das Museumsschiff beste Kundenbewertungen.

Lichtspiele, wo einst deutsche U-Boote lagen

Auch die Briten als Seefahrernation zeigen voller Stolz ein ausgemustertes Kriegsschiff ihrer Royal Navy: Am Londoner Themse-Ufer, nahe der Tower Bridge, ankert die HMS Belfast. Im Zweiten Weltkrieg pflügte der Kreuzer mit 850 Mann Besatzung bis zu 32 Knoten schnell durch Nordsee und Atlantik. Das 1938 gebaute 187-Meter-Schiff war an der Versenkung der Scharnhorst und an der Invasion am D-Day beteiligt. In den sechziger Jahren wurde es zur Außenstelle des Imperial War Museums. Die beeindruckten Besucher staunen heute über die enge und spartanische Unterbringung der einfachen Matrosen in den fünf Unterdecks. Imposant ist auch ein Blick in die gewaltigen Maschinenräume und Munitionsdepots der zwölf Riesengeschütze.

Einen neuen Weg geht man im französischen Bordeaux. Die Stadt besitzt nicht nur einen Ruf unter Weinkennern, sondern auch einen ungeliebten Koloß aus dem Krieg: 1943 bauten die Deutschen hier einen U-Boot-Bunker als Basis für Feindfahrten. Neun Meter Deckenstärke und 12 Meter tiefe Fundamente machten nach dem Krieg eine Sprengung der Anlage unmöglich. Darum wird die Höhle aus 12.000 Quadratmeter Stahlbeton nun zum Kunsttempel umgewidmet: Lichtprojektionen, unter anderem von Gemälden von Gustav Klimt, die sich im trüben Wasser der Becken spiegeln, verwandeln den Bau in eine illusionäre Kunst-Kulisse. Ein kreativer Umgang mit der kriegerischen Hinterlassenschaft.