© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

„Der Haß der Deutschen auf sich selbst“
Seit seinen Fernseh- und Presseauftritten ist Andrew Onuegbu deutschlandweit bekannt. Der Küchenchef und Inhaber des Restaurants „Zum Mohrenkopf“ in Kiel wehrt sich tapfer gegen Weiße, die ihn im Namen des Antirassismus herumkommandieren wollen
Moritz Schwarz

Herr Onuegbu, schön, daß Sie sich für unser Gespräch Zeit nehmen. 

Andrew Onuegbu: Kein Problem, Herr Schwarz, gerne! Schließlich müssen wir Schwarzen doch zusammenhalten.

Sie provozieren gerne?

Onuegbu: Nein, ich habe Humor. 

Spezialität Ihres Hauses: Der „Mohrenkopf“-Topf. Auch keine Provokation? 

Onuegbu: Überhaupt nicht. Aber den müssen Sie wirklich mal probieren, hmmm! Und danach mache ich Ihnen eines unserer „Mohrenkopf“-Küchlein, schön lauwarm und mit Vanilleeis ... ach, ein wahrer Gaumenschmeichler! 

„Mohrenkopf“, das geht doch gar nicht!

Onuegbu: Es gibt immer wieder mal Gäste, die mich darüber belehren. 

Und? 

Onuegbu: Ich frage sie dann: „Warum nicht? Ich bin doch ein Mohr!“  

Schrecken? 

Onuegbu: Eher Fassungslosigkeit. 

Ihnen macht das Spaß?

Onuegbu: Nein, wirklich nicht. Aber ich bringe Menschen gerne dazu, nachzudenken statt nachzuplappern. Zum Beispiel indem ich frage, was sie eigentlich über das Wort wissen. Etwa, daß im Mittelalter hierzulande ein Mohrenkopf so etwas wie heute ein Stern war: ein Gütezeichen für gute Küche. Daß sich Gasthäuser also damit schmückten. Ebenso wie Apotheken, da die Heilkunst der Schwarzen damals der der Europäer überlegen war. Natürlich wissen das diese Leute in der Regel nicht. Ahnungslos, aber dafür meinungsstark!  

Woher kommt das? 

Onuegbu: Ich nenne es, das Phänomen der deutschen Wohlstandskinder. 

Das müssen Sie erklären. 

Onuegbu: Die kommen mir mit „Mohrenkopf“, „Negerkuß“ und „strukturellem Rassismus“. Ich frage sie dann, ob sie eigentlich wissen, was Nigeria 1967 bis 1970 in Biafra angerichtet hat? Oder die Hutu 1994 in Ruanda, die Weißen in Südafrika oder was im Jugoslawienkrieg geschehen ist. Das war Rassismus!

„Am meisten Angst macht mir die Weltanschauung derer, die die Welt nicht angeschaut haben“, Alexander von Humboldt.

Onuegbu: Genau so! Diese Leute glauben buchstäblich, die Deutschen hätten den Rassismus erfunden. Sehen Sie, in meiner Heimat Biafra haben wir zahlreiche Bezeichnungen für weiße Menschen – und so ist es auch hier für schwarze Menschen. Das ist völlig normal, solange es keine Schimpfworte sind. 

Moment, Neger ist schon eines.

Onuegbu: Entschuldigen Sie, aber jetzt zeigen Sie, daß Sie offenbar ebenfalls keine Ahnung haben. Als ich vor fast dreißig Jahren nach Deutschland kam, waren Mohr, Neger etc. ganz normale Worte. Und übrigens brummte mein 2007 eröffnetes Restaurant „Zum Mohrenkopf“ die ersten acht Jahre prima, ohne jeden Zwischenfall. Erst 2015 ging das los, mit dem Theater um den Namen.

Bereuen Sie heute dessen Wahl?

Onuegbu: Überhaupt nicht, es ist ein Name, mit dem ich mich identifizieren kann und auf den ich stolz bin. Und die meisten meiner Gäste sehen das ebenso, sie haben kein Problem damit, etliche finden den Namen sogar sehr gut! Nur ab und zu rufen mich mal Gäste an den Tisch, um mich zu belehren – bevor sie merken, daß sie keine Ahnung haben.

Entschuldigen die sich dann wenigstens?

Onuegbu: Einige bleiben stur, beharren darauf, ich hätte trotzdem den Namen zu ändern. Manche drohen gar, mir sonst eine schlechte Bewertung im Internet zu geben – was etliche dann auch tun.  

Beklagen sich auch Schwarze?

Onuegbu: Nein, viele Schwarze hier in Kiel kennen mich vom Sehen oder aus den Medien. Sie grüßen mich auf der Straße ganz entspannt mit „Hallo Mohrenkopf!“ Eigentlich sind es fast nur Weiße, die deshalb Theater machen.

Fast?

Onuegbu: Und Mischlingskinder, die nämlich oft verunsichert sind, weil sie nicht wissen, wo sie hingehören.

Wie reagieren Ihre Familie und Freunde in Biafra, wenn sie hören, was in Deutschland wegen des Namens los ist? 

Onuegbu: Ganz ehrlich, die fassen sich an den Kopf und schauen mich ungläubig an. Aber sie verstehen, wenn ich ihnen erkläre, daß es eben auch in Deutschland Leute gibt, die nicht alle Tassen im Schrank haben.  

Es muß aber doch auch Schwarze geben, die über so etwas klagen, denn zumindest die Medien sind voll von ihnen. 

Onuegbu: Das stimmt, leider gibt zunehmend Schwarze, die sich von Besserwisser-Deutschen aufhetzen lassen und anfangen, überall „Rassismus“ zu wittern. Wenn sich solche mal in mein Restaurant verirren, sind sie aber nicht aus Kiel, sondern kommen aus anderen Bundesländern. Beispiel: Einmal werde ich aus der Küche gerufen. Da steht ein Schwarzer mit seiner weißen Frau. Er: „Bruder, warum arbeitest du für einen Nazi?“ „Bitte?“ Alle Gäste drehen sich um ... Seine Frau: „Ist auch egal! Mit ihnen wollen wir gar nicht reden. Holen Sie Ihren faschistischen Chef!“ „Aber ich bin der Chef.“ „Holen Sie jetzt Ihren Chef!“ „Na gut“, sag ich, gehe zurück in die Küche, schwenke in Ruhe meine Bratkartoffeln und kehre zurück, um mich erneut als Chef vorzustellen. Meine beiden Bedienungen sind inzwischen zurück am Tresen und bestätigen nun: „Er ist unser Chef!“ Also beginnt die Frau mich zu belehren, daß das Wort nicht mehr gesagt werden dürfe, der Name verschwinden müsse, da er rassistisch sei. Mal wieder kläre ich also jemanden auf, daß Mohrenkopf in der Geschichte nicht das mindeste mit Rassismus zu tun hatte. Dann ergänze ich: „Allerdings, ich habe mich Ihnen zweimal als Chef vorgestellt. Sie haben das nicht geglaubt – weil ich schwarz bin! Das zum Beispiel ist Rassismus!“ Da brechen alle Gäste im gut besuchten Restaurant in Applaus aus. Die zwei sehen sich an und schweigen. Immerhin haben sie dann Platz genommen und etwas gegessen. Doch nach dem Essen – alles prima, hat sehr gut geschmeckt, loben sie – kommen sie erneut mit ihrem Unsinn. Ich bedanke mich höflich, bitte sie aber, bis zu ihrem nächsten Besuch ihr Gehirn doch von solchen Absurditäten zu befreien.

Sie nehmen das stets mit einem Lächeln. Platzt Ihnen nicht manchmal der Kragen?

Onuegbu: Wissen Sie, Humor und Ironie sind die beste Basis für ein gutes Miteinander. Aber natürlich ärgere ich mich: Wie kann eine Weiße mir erklären, wann meine Gefühle als Schwarzer verletzt sind? So eine unverschämte Bevormundung! Das ist der wahre Rassismus!

Ist das nur eine Retourkutsche oder meinen Sie das ernst? 

Onuegbu: Natürlich, schließlich bin ich alt genug, um für mich selbst zu sprechen! Und was ist das überhaupt für eine Logik: Wenn Mohr tatsächlich abwertend wäre, weshalb sollten die Deutschen denn früher ihre Gasthäuser, Hotels und Apotheken so benannt haben? Kennen Sie etwa ein Gasthaus „Zur Ratte“ oder eine „Quacksalber-Apotheke“?  

Nochmal, was ist der Grund dafür?

Onuegbu: Ich glaube inzwischen, daß wir es mit einer Ideologie zu tun haben. Diese Leute wollen gar nicht, daß in Deutschland irgend etwas gegenüber Schwarzen anerkennend gemeint ist. Das würde ja ihre Theorie vom „strukturellen Rassismus“ stören. So möchten sie alle historischen Bezüge hierzulande auf uns schwarze Menschen auslöschen. Das ist nicht nur wegen der Historie traurig, sondern auch weil es den Kampf gegen Rassismus völlig falsch aufzäumt. Denn wenn alle Mohren und Neger aus allen Namen und Wappen getilgt sind, glauben Sie, daß dann der wahre Rassismus auch nur ein Stück weniger geworden ist? Vor allem aber macht es fassungslos, weil es zeigt, daß in unserer Gesellschaft etwas ganz gehörig schiefläuft! 

Was meinen Sie? 

Onuegbu: Ich spreche von dem Haß in Deutschland. Dem Haß – den ich mit großer Verwunderung festgestellt habe, nachdem ich hierher gekommen bin – so vieler Deutscher und auch der meisten politischen Parteien auf ihr eigenes Land. Das ist nicht normal! Ich bin christlich erzogen, das heißt, daß mir Liebe, Respekt und Gerechtigkeit wichtig sind. Wieso aber gibt es in Deutschland so wenig Liebe, Respekt und Gerechtigkeit gegenüber dem eigenen Land, der eigenen Kultur und der eigenen Sprache? Und wissen Sie, inzwischen ist Deutschland auch mein Land geworden. Aber bei uns in Biafra wäre solcher Haß unvorstellbar, dort sind wir stolz auf unsere Herkunft. 

Als was sehen Sie sich denn, als Biafraner oder als Deutscher?

Onuegbu: Beides: Biafra ist meine Heimat, Deutschland mein Zuhause. Schon seit Beginn meiner Ausbildung hier trage ich ein deutsches Abzeichen an meiner Kochjacke, und mein Restaurant schmückt, neben dem Bild zweier afrikanischer Mohren, auch das Wappen von Schleswig-Holstein. Ich finde es selbstverständlich, daß man, wenn man auswandert, auch Patriot seiner neuen Heimat wird. Was bitte will man denn sonst dort? Und meinen Sie nicht, man sollte dankbar gegenüber einem Land sein, das einen aufnimmt und einem alle Möglichkeiten gibt? Statt dessen begegnen mir hier viele Einwanderer, die kein gutes Haar an Deutschland lassen. Wenn die Deutschen, wie ich, verstehen könnten, was einige dieser Leute so reden ...  Dabei bekommt man, wenn man nach Deutschland kommt, vom Staat Essen, ein Bett, ein Dach über dem Kopf und eine Krankenversicherung. Wo bitte gibt es auf der Welt noch ein Land, das so großzügig ist? Diese Leute lassen sich ihr Leben von den Deutschen finanzieren, zeigen aber keine Dankbarkeit, wittern statt dessen überall Rassismus und verlangen, die Deutschen sollen für sie ihre Lebensart, Kultur und Sprache ändern. Mit welchem Recht bitte? 

Aber sollten nicht die Betroffenen, also die Schwarzen, darüber entscheiden, wie sie genannt werden? 

Onugebu: Nein, denn die deutsche Sprache gehört den Deutschen. Einwanderer sollten sich vor allem über Deutschland, seine Sitten, Gebräuche und Sprache informieren: Mohr und Neger sind nämlich Worte, die es schon sehr lange in der deutschen Sprache gibt und normale Bezeichnungen waren. In Deutschland wird oft gesagt, so eine Meinung sei „rechts“, doch mit Politik hat das nichts zu tun, sondern mit Respekt. Ich sage Ihnen, wenn man so etwas erstmal zuläßt, dann geht eines Tages die deutsche Sprache verloren! Das sollte vor allem die Politik endlich begreifen.

Aber haben Sie hier nicht doch auch einmal echten Rassismus erlebt?

Onuegbu: Zu Beginn wollte ich einen Sprachkurs absolvieren. Doch die Dame von der Agentur für Arbeit verweigerte mir die Förderung, denn sie habe schon zwei Schwarzen diese Möglichkeit gegeben, doch beide hätten das nicht ernstgenommen. Dann hat mir jemand anderes einen Kurs ermöglicht, und mit dem gelernten Deutsch konnte ich meine Ausbildung machen. So ging ich drei Jahre später mit meinen Zeugnissen, des Sprachkurses und der Ausbildung, zu dieser Dame zurück und zeigte sie ihr. Da stand sie auf, umarmte mich, weinte und entschuldigte sich. Was ich sagen will ist, daß wir nicht immer hinter allem Rassismus sehen sollten. Diese Dame hat einen Fehler gemacht, aber nicht aus Rassismus, sondern weil sie enttäuscht worden war.

Warum eigentlich kochen Sie deutsch, wenn auch mit internationalen Einsprengseln? 

Onuegbu: Ich wollte das von Beginn meiner Ausbildung an. Denn wo finden Sie noch gute deutsche Küche hierzulande? Zudem wollte ich in meiner neuen Heimat gerne für die Menschen dort kochen. Nennen Sie mich meinetwegen einen Patriot am Küchenherd!

Allerdings kann man den „Mohrenkopf“ Corona-bedingt derzeit nicht besuchen. Ist Ihr Restaurant in Gefahr? 

Onuegbu: Zum Glück noch nicht, weil die Corona-Hilfen zu Beginn sehr pünktlich gekommen sind. Nun ist das allerdings leider nicht mehr der Fall und man muß Angst um seine Existenz haben. 

Warum kochen Sie nicht wie andere für „außer Haus“? 

Onuegbu: Das haben wir an Ostern versucht, es lohnt sich aber einfach nicht. Es tat mir auch jedesmal in der Seele weh, wenn ich etwa meinen wunderbaren Rehrücken oder ein Filet, statt auf einem schönen Teller, in einer Plastikschale anrichten mußte. Der eigentliche Grund ist aber, daß ein Restaurant wie meines, in das die Gäste nicht nur einfach zum sattwerden kommen, sondern um schön auszugehen und mit Genuß zu essen, viel zu wenige Außer-Haus-Bestellungen hat. Abgesehen davon, daß in der Gastronomie Geld mit Getränken verdient wird, die ja völlig entfallen.

Viele Einzelhändler fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Sie auch?

Onuegbu: Ich hoffe sehr, daß die Zahlungen bald wieder pünktlich kommen! Wir müssen wohl oder übel auf die Versprechen der Politik und das baldige Ende der Pandemie hoffen. Doch wundere ich mich, daß die Lage in den Ländern so unterschiedlich ist, obwohl Corona doch angeblich überall grassiert. Denn in Biafra trägt niemand Maske, die Supermärkte sind voll, in den Omnibussen stehen die Menschen wie Ölsardinen und sonntags wird in vollen Kirchen aus vollem Halse gesungen. Ich verstehe das nicht ... Aber wir müssen wohl einfach hoffen. Dabei sehnen wir uns alle nach dem Ende! Ich hoffe inständig, wenn wir zusammenhalten und gemeinsam alles Nötige dafür tun, daß dieses dann bald kommt!






Andrew Onuegbu, wanderte 1992 nach Deutschland aus und eröffnete 2007 in Kiel sein Restaurant „Zum Mohrenkopf“ mit gehobener deutscher, regionaler und internationaler Küche. Zu seinen Gästen gehörten unter anderem Olli Dittrich, Otto Waalkes und Schleswig-Holsteins ehemaliger CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Geboren wurde der Angehörige der Volksgruppe der Igbo im westafrikanischen Biafra, zwei Jahre nach der militärischen Niederschlagung der Unabhängigkeit des Landes durch Nigeria 1970. Seit 2001 ist Andrew Onuegbu deutscher Staatsbürger. 

Foto: Gastwirt Onuegbu: „Ich glaube inzwischen, daß wir es mit einer Ideologie zu tun haben. Diese Leute wollen gar nicht, daß in Deutschland irgend etwas gegenüber Schwarzen anerkennend gemeint ist, denn das würde ja ihre Theorie vom ‘strukturellen Rassismus‘ stören. So möchten sie alle historischen Bezüge hierzulande auf uns schwarze Menschen auslöschen“