© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Naomi Seibt ist das jüngste Opfer der Löschwelle gegen unbequeme Youtuber.
Die Anti-Greta
Zita Tipold

Um rund 100.000 Abonnenten ist Naomi Seibt nun ärmer. Youtube hat den Kanal der politischen Influencerin endgültig gelöscht. „Leider“ habe man Verstöße gegen „die Richtlinien zu Belästigung, Drohungen und Cybermobbing“ festgestellt. 

Damit hat das Unternehmen erneut eine Stimme stummgeschaltet, die den „Mainstream“ auf unerwünschte Weise in Frage stellt – und ein vergleichsweise  großes Publikum erreicht. Die zierliche 20jährige Münsteranerin mit den – darin ihrer Opponentin unfreiwillig ähnlich – betont kindlichen Gesichtszügen, ist vor allem wegen ihres Zweifels am menschengemachten Klimawandel als „Anti-Greta“ (Washington Post) international bekannt geworden. Thunbergs Motto „Ich möchte, daß ihr in Panik geratet!“ drehte Seibt geschickt um: „Ich möchte nicht, daß ihr in Panik geratet – ich möchte, daß ihr nachdenkt!“ Daß sie obendrein Abtreibung, die Öffentlich-Rechtlichen und die Flüchtlingspolitik kritisiert sowie offen zugibt, die AfD zu wählen, brachte ihr zudem den Titel „Postergirl der Rechten“ (Spiegel) ein. Und ihre – inzwischen beendete – Tätigkeit für das „Heartland Institute“, eine unter anderem von ExxonMobil finanzierte US-Denkfabrik, bescherte ihr einen Schmähbeitrag des ZDF-Magazins „Frontal 21“. 

Bereits zweimal hatte Youtube gegen die Blondine mit den stets leicht exotisch geschminkten Augen ausgeteilt: Wie jüngst auch die Youtuber Boris Reitschuster und Gunnar Kaiser wurde sie wegen angeblicher Falschinformationen über das Corona-Geschehen abgemahnt. Für die nun erfolgte Löschung ihres Kanals sorgte jedoch ein in der Tat sehr fragwürdiges Video, in dem sie vermutete, das US-Onlinekaufhaus Wayfair betreibe heimlichen Handel mit Kindern.

Diese bizarre Idee in Q-Anon-Manier verwundert angesichts Seibts geistigen Vermögens: Schon mit fünf Jahren eingeschult, übersprang sie eine Klasse und machte ihr Abitur im Alter von 16 Jahren mit einem Schnitt von 1,0. Gekrönt wurde diese Leistung von mehreren Preisen, darunter Erstplazierungen beim Wettbewerb „Jugend forscht“. 

Als heimliche Mentorin der jungen Frau gilt ihre Mutter, in deren Fußstapfen sie auch in Sachen Zensur getreten ist – wurde die Rechtsanwältin doch nach mehrfacher Kritik an der Bundesregierung von Facebook dauerhaft gesperrt. Karoline Seibt war es auch, die den Samen für Naomis libertäre Überzeugungen streute. Diese begeistert sich für die radikale Idee des Anarchokaptialismus: Kein Staat und keine Grenzen sollen uns beschränken – Deutschland, so Seibt im Spiegel, habe sich für sie nie wie Heimat angefühlt.

Wie andere Youtube-Opfer fristet sie nun auf Alternativplattformen wie Telegram ihr Dasein. Aufgeben will sie aber nicht und zur Not gerichtlich für die, wie sie meint, „wissenschaftliche Freiheit“ kämpfen.