© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Ländersache: Thüringen
Verbotsschilder günstig abzugeben
Paul Leonhard

Thüringens Landeshauptstadt Erfurt hat ein Alleinstellungsmerkmal weniger: seine Umweltzone. Die einzige im Freistaat. Deutschlandweit gibt es noch 56. Dort darf in aller Regel nur fahren, wer eine grüne Plakette am Fahrzeug kleben hat. So sollen Einwohner und Besucher besser durchatmen können. Eine Maßnahme, die mancherorts durch Gerichtsurteil durchgesetzt wurde und – umstritten ist. Denn sie verschlechtert vor allem – wie meistens bei Verboten – das innerstädtische Klima, in diesem Fall zwischen den Befürwortern einer solchen Maßnahme und ihren Gegnern. 

Das hat Erfurt gerade nachgewiesen, wo sich die Verwaltung derzeit daranmacht, all jene rund 300 Verkehrsschilder abzubauen, die 2012 aufgestellt worden waren, nachdem ab Oktober die Innenstadt zur Umweltzone erklärt werden mußte. So hatte es seinerzeit das Landesverwaltungsamt in Weimar unter Berufung auf EU-Recht von der Stadt verlangt. Der Grund: Die Stadt hatte 2011 die Feinstaubwerte an mehr als 35 Tagen überschritten.

Knapp neun Jahre später ist das Oberverwaltungsgericht in Weimar zu einem gegenteiligen Urteil gelangt. Die Richter gaben nach jahrelangem Rechtsstreit der Klage eines Erfurter Taxifahrers gegen die Umweltzone recht.  Wolfgang Schwuchow, inzwischen 66 Jahre alt, hatte stellvertretend für 60 Taxibetriebe geklagt und kann auf eine 1.200 Seiten dicke Verfahrensakte verweisen. Es sei „ein Kampf David gegen Goliath gewesen, der mich viel Kraft“ und auch Tausende Euro für den Einbau von Rußpartikelfiltern gekostet habe, sagte er der Bild: „Aber der gesunde Menschenverstand hat zum Glück gesiegt.“

Das findet man offenbar auch im Erfurter Rathaus. Nein, man rechne nicht, wie viele Anwohner in den sozialen Netzwerken warnen, mit einer Verschlechterung der Luftqualität, heißt es aus dem Rathaus. Der EU-Richtwert werde nunmehr seit 2012 eingehalten. Vor allem eine verbesserte Verkehrslenkung habe für weniger Schadstoffe gesorgt. Die Umweltzone habe nur Bürokratie und Kosten verursacht, lautet das Resümee der IHK Erfurt.

Man werde nicht gegen das – noch nicht rechtskräftige – Gerichtsurteil vorgehen, versicherte Umweltdezernent Andreas Horn dem MDR Thüringen. Ohnehin waren die Erfurter Verkehrsplaner schon immer der Meinung, daß mehr als grüne und gelbe Umweltplaketten kreative Ideen für eine bessere Luftqualität sorgen. So steuern in Erfurt Ampeln den Verkehr ja nach Aufkommen, Pflaster schluckt schädlichen Feinstaub, und Parkplätze am Stadtrand animieren zum Umsteigen in Bus und Straßenbahn. Auch aus Sicht des ADAC hat die Stadt damit alles richtig gemacht. Der Automobilclub hatte schon immer damit argumentiert, daß wegen des technischen Fortschritts die Schadstoffbelastung auch ohne Umweltzonen abnehme und diese keine nennenswerte Verringerung der Feinstaub- und Stickstoffoxid-Belastung ergeben, für die Kommunen aber einen hohen Verwaltungsaufwand und für viele Autofahrer existentielle Nachteile bringen. 

Kommunen, die das anders sehen, können gern in Erfurt vorbeischauen. Dort sind für 80.000 Euro angeschaffte, jetzt überflüssig gewordene Verbotsschilder zu haben. Thüringen ist jetzt frei von Umweltzonen. Hamburg hat sie übrigens erst gar nicht eingeführt.