© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Glauben nach Gehör
Katholische Kirche: Mit der Segnung homosexueller Paare stellen sich Priester gegen das Lehramt / Deutsche Bischofskonferenz gibt sich diplomatisch
Gernot Facius

Es knistert und kracht im Kirchengebälk: Mit den Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare kurz vor dem Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt am Main, der in der Zeit der Pandemie weitgehend ins Digitale abgedrängt wurde, hat die Opposition gegen das katholische Lehramt eine neue Eskalationsstufe erreicht. 

Das wird auch auf weltkirchlicher Ebene kritisch gesehen. Genau besehen war die Aktion „Liebe gewinnt“, die das Mißbrauchsthema aus den Schlagzeilen verdrängte, aber noch kein Triumphzug Homosexueller in der katholischen Kirche. „Der rituelle Protest gegen Rom fiel teilweise aus“, beobachtete die dem emeritierten Papst Benedikt XVI. nahestehende Tagespost. „Viel Resonanz segnungswilliger Paare gab es nicht.“ 

Selbst ein „Reformer“ wie der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, gestand, daß er nicht wisse, ob sich „die Intimität der Segenszusage Gottes für eine Liebesbeziehung für einen politischen demonstrativen Akt eignet“. Im Vatikan wird man dagegen aufmerksam registriert haben, wie sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, wenige Tage vor Pfingsten, dem „Geburtstag der Kirche“ taktisch positionierte: Solche Feiern seien „nicht hilfreich“, aber die Kirche könne den Segenswunsch homosexueller Paare nicht einfach nur mit Ja oder Nein beantworten. „Ich möchte, daß wir ihnen den Segen Gottes schenken.“ 

„Wer gegen Rom handelt, ist nicht mehr katholisch“

Bätzing setzt darauf, daß dies mit dem „synodalen Weg“ erreicht werden könne. Dann würden die Segnungen aus dem Geheimen und rein Privaten herauskommen. „Das ist genau die neue Bewegung. Bislang haben wir das nicht, das ist untersagt, und genau das braucht es: einen Schritt nach vorne.“ Das sehen einige Dogmatiker anders. Das segnen zu wollen, was den „göttlichen Fluch“ auf sich herabziehe, sei ein „geistliches Verbrechen“, befand in einer Replik auf Bätzing der Theologe Manfred Hauke. Die Seelsorge dürfe keine Verwirrung stiften: „Wer eine Sünde segnen will, spaltet sich ab von der Kirche.“ Die kirchliche Segnung eines Homosexuellen in einer persönlichen Angelegenheit sei jederzeit möglich, aber nicht die in einer solchen Partnerschaft, die mit einer heterogenen Ehe gleichgestellt werde, warnte das konservative Forum Deutscher Katholiken und stellte sich auf die Seite der römischen Glaubenskongregation. 

Der aus Köln stammende Kirchenrechtler Gero Weishaupt ging einen Schritt weiter: Bischöfe, die diese Position ignorierten, zögen sich die Exkommunikation als Strafe zu. Widerspruch kam von seinem Münsteraner Kollegen Thomas Schüller. Solche drakonischen Strafen drohten nicht, da das Papier aus Rom keineswegs den Rang eines lehramtlichen Dokuments habe. Aber nicht nur der Dissens in der Homosexuellenfrage sorgt für Zündstoff. Die ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel verglich die Debatte um die Weihe von Frauen mit der Lage der DDR vor dem Mauerfall: Die Mauer des Nein stehe noch, aber sie werde zunehmend brüchig. 

Der ÖKT rückte auch das alte Thema „Interkommunion“ wieder in den Vordergrund. Auch hier bemühte sich Bischof Bätzing um eine „Klarstellung“. Es gehe nicht darum, die Einladung zur Kommunion generell auf alle nichtkatholischen Christen auszudehnen. Die aktuelle Debatte betreffe nicht die Interkommunion im Sinne einer allgemeinen gegenseitigen Einladung zur Teilnahme an der Eucharistie und am Abendmahl, sondern konzentriere sich darauf, „wie man sich gegenüber den Gewissensentscheidungen einzelner katholischer oder evangelischer Gläubiger verhält“. 

Aus der Ferne meldete sich der deutsche Kurienkardinal Gerhard Müller zu Wort: Niemand könne eigenmächtig und „nach eigenem Gusto“ die Gegensätze in der kirchlichen Lehre für nebensächlich erklären oder ignorieren. „Wer sich im Widerspruch zur katholischen Lehre und ihrer verbindlichen Auslegung durch Rom verhält, ist nicht mehr katholisch.“ Der Kardinal warnte eindringlich vor einer „Provokation des Lehramtes“. Daß diejenigen, die jenes „allen bekannte katholische Glaubensverständnis“ aussprächen, als „erzkonservativ“ diskreditiert würden, sei eine „gebräuchliche Methode der Diffamierung“, entlarve jedoch nur „eigene Schwäche in der sachlichen Argumentation“. 

Bätzing ließ derartige Kritik abtropfen. „Wir wollen Zeichen der Einheit setzen!“ Man brauche „eine Lehrentwicklung“, so sein Frankfurter Plädoyer. Außerdem setzte er sich für eine „größere Dezentralisierung“ in der Kirche ein, was ihm umgehend aus dem prononciert konservativen Flügel den Vorwurf eintrug, der DBK-Vorsitzende kämpfe für einen deutschen Sonderweg.