© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ordentlich Holz an der Hütte
Paul Rosen

In Deutschland ist Bauholz knapp. Dachdecker und andere Gewerke können oft nicht mehr auf ihren Baustellen weiterarbeiten. Nicht so beim Deutschen Bundestag. Dort entsteht derzeit in Holzmodulbauweise ein siebengeschossiges Bürohochhaus, das nach der Wahl im September Büros von Bundestagsabgeordneten aufnehmen soll.

Allerdings ist nicht der ganze Komplex aus Holz, sondern Stahlbeton sorgt für die nötige Stabilität des Gebäudes. Die hölzernen Module, die jetzt angeliefert werden, enthalten bereits alle nötigen Installationen wie Strom- und Wasserleitungen. Nach ihrer Verankerung sind sie faktisch bezugsfertig. Außerdem wird das Gebäude bunt: Das Farbspektrum reicht von grün über gelb, orange und rot. Die Präsidentin des zuständigen Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Petra Wesseler, zeigte sich vom Modularbau begeistert. Dieser besteche nicht nur mit Effizienz und Nachhaltigkeit, sondern könne auch in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht überzeugen. „Das Gebäude wird seinen Platz im Parlamentsviertel mit großer Selbstverständlichkeit ausfüllen“, lobte die Präsidentin.

Das Haus ist nicht nur wegen der Holzbauweise eine Ausnahmeerscheinung im Bestand des Bundes. Seine Fertigstellung soll nämlich nach knapp drei Jahren Bauzeit pünktlich bis zum Jahresende erfolgen. Dann werden die 17.000 Quadratmeter 400 Büroarbeitsplätze plus Sitzungsräume bieten. Der Preis wird mit 70 Millionen Euro angegeben, was im Vergleich zum benachbarten Marie-Elisabeth-Lüders-Haus sehr günstig ist. Dieses ursprünglich mit Kosten von 190 Millionen Euro angegebene Projekt soll nach einigen Baupannen und Wasserschäden inzwischen knapp 300 Millionen Euro kosten (JF 34/19). Die für 2014 geplante Eröffnung soll tatsächlich zum Ende dieses Jahres erfolgen. Festlegen will sich darauf allerdings niemand.

Die hektische Bautätigkeit ist auch deshalb notwendig, weil sich hartnäckig Gerüchte halten, der Bundestag könnte nach der Neuwahl am 26. September doch erheblich größer sein als bislang erwartet. Die 2020 von der Großen Koalition durchgedrückte Wahlrechtsreform war seinerzeit von der Opposition vor allem als Extrawurst für die Union kritisiert worden, weil die damals in allen Umfragen mit weitem Abstand führenden Unionsparteien bei der Mandatsverteilung durch ein äußerst kompliziertes System begünstigt worden wären. Mit 758 statt derzeit 709 Sitzen war gerechnet worden. Die SPD machte den Deal mit, weil eine insgesamt höhere Zahl an Mandaten für die schrumpfende Sozialdemokratie im Verhältnis weniger Mandatsverluste bedeutet hätte.

Zwar sind die jüngsten Umfragen keine Wahlergebnisse, und schon Helmut Kohl pflegte darauf hinzuweisen, entscheidend sei, was am Wahlabend herauskomme. Der starke Aufholprozeß der Grünen zur Union war in allen Berechnungen jedoch nicht erwartet worden. Deshalb wurde im Innenministerium neu gerechnet, und es wird nicht mehr ausgeschlossen, daß der nächste Bundestag bis zu 900 Sitze haben könnte.