© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Wie man Konkurrenten leise Knüppel zwischen die Beine wirft
Bidens Samthandschuhe
Joachim Starbatty

Für Donald Trump wie Joe Biden gilt: „America first!“ Der 45. Präsident trug allerdings Boxhandschuhe, sein Nachfolger bevorzugt Samthandschuhe. Die von der Biden-Administration verlangte Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe soll deren globale Produktion vorantreiben, ohne durch gewerbliche Erfinderrechte behindert zu werden. Doch handelt es sich bei den wohl gemeinten mRNA-Impfstoffen um neuartige Substanzen, die hochkomplexe Forschungs- und Produktionsverfahren voraussetzen. Der Aufbau der dazu notwendigen Infrastruktur braucht Jahre. Unausgereifte Vakzine zu verimpfen, ist fahrlässig.

Wenn die US-Regierung oder die EU bedürftigen Ländern wirklich helfen wollen, dann könnten sie aus ihren Billionen-Corona-Programmen einen Bruchteil abzweigen. Das könnte Katastrophen in besonders betroffenen Regionen verhindern – doch die finanzielle Solidarität hört an den nationalen Grenzen auf. Eine Aufhebung des Patentschutzes ist nicht altruistisch, sondern schwächt Pharmafirmen, die viel Geld investiert haben, um die Entwicklung der jetzt benötigten Impfstoffe voranzutreiben. Der Sinn des Patentschutzes liegt darin, daß sich solche langfristigen Investitionen lohnen. Es geht darum, das Geschäftsmodell der „Free rider“, die ernten wollen, wo sie nicht gesät haben, auszuschalten.

Ohne Patentschutz würde auch der Produktionsstandort Deutschland geschwächt. Dazu paßt auch, daß die geplante Massenproduktion der Tübinger Pharmafirma Curevac, die bald hunderte Millionen Dosen für die EU-Impfkampagne beisteuern will, akut gefährdet ist, weil offensichtlich die Ausfuhr wichtiger Materialien aus den USA blockiert wird: Man bekomme wegen des Defense Production Act of 1950 aus der Zeit des Koreakrieges bestimmte Vorprodukte nicht aus den USA heraus, so läßt sich Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas zitieren. Curevac hat sich deswegen an die Bundesregierung gewandt. Die amerikanische Botschaft betont aber, die USA hätten kein Verbot für den Export von Impfstoffen oder Vorprodukten verhängt.

Solche Praktiken an die große Glocke zu hängen, wäre Trump-Style. Joe Biden trägt Samthandschuhe. Über informelle Gespräche ohne Zeugen, über die keine Protokollnotizen angefertigt werden, lassen sich gewünschte politische Ergebnisse geräuschloser erzielen. Nach einer informativen Studie Ulrich Blums (Uni Halle-Wittenberg) über Wirtschaftskriege (JF 17/21) sind nationale Rivalitäten im weltweiten Handel nicht wegzudenken. Das kann sich durchaus produktivitätsfördernd auswirken, kann aber auch dazu verleiten, Konkurrenten Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wer damit beginnt, muß aber mit Revanche-Fouls rechnen.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.