© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/21 / 21. Mai 2021

Lehre von der Freifaltigkeit
Deutungen zur christlichen Anthropologie
Werner Olles

Die Schriftstellerin Hanna Jüngling befaßt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Frage nach Gott und seiner Relation zum Menschen. In der Einleitung ihres neuen Buches gesteht sie ihr Verständnis für all jene, „ die den einen Gott als Vielfalt von Göttermanifestationen wahrnehmen“, wie beispielsweise die Hindus, während die ein-fache Vorstellung im Rahmen der menschlichen Denkmöglichkeiten diesen Allerhöchsten unweigerlich „verkrampft, verkleinert“. 

Die Lehre von der „Freifaltigkeit“ versteht sie als Versuch, Undenkbarkeiten denkbar zu machen, er stelle „einen Kompromiß dar zwischen verschiedenen Denkschulen“, in denen die eine Gottheit in drei Personen hypostasiert. Doch sei dies eine magische Formel, da es nie eine Zeit gab, in der der Vater ohne den Sohn war, und aus beiden durch Hauchung der Heilige Geist hervorging. Dies kläre auch die Relation zwischen Gott und Mensch, „indem sie ältere, möglicherweise aus dem ägyptischen Kontext stammende Inkarnationsideen in der Zwei-Naturen-Lehre, die auf dem Konzil von Chalkedon 451 n. Chr. definiert wurde, aufgreift“. Allerdings lasse sich dies an keiner einzigen Stelle der Heiligen Schrift finden.

Die Trinitätslehre habe so mehrere Zugänge zu den Geheimnissen Gottes „formelhaft festgelegt“ und sich vom Konzil in Nicäa im Jahr 325 bis zum Laterankonzil 1215 entfaltet. Hier wurde auch die Lehre, daß der Heilige Geist nicht nur aus dem Vater, sondern auch aus dem Sohn hervorging, definiert, die die Ostkirche bis heute nicht mitträgt. Der wahre Schönheitsfehler an diesem „Mysterium“ sei jedoch, daß es tatsächlich keiner Offenbarung entspringe, sondern menschlichem Konstruktionswillen und menschlicher Phantasie. Dennoch dürfe das Mysterium nicht durch Entschleierungsformeln und Gleichmacherei geschändet werden. 

Es sind in der Tat ernste Fragen, die Hanna Jüngling hier aufwirft, und die Gedanken der Autorin bleiben notwendigerweise unfertig, doch bewegt sie sich trotz gelegentlicher Blicke auf andere Religionen durchaus im christlichen Kontext. Eine Diskussion über pro und contra bleibt so dem interessierten Leser überlassen, dem ein endgültiges Urteil zu fällen schwerfallen dürfte.

Hanna Jüngling: In der Gestalt Gottes. Überlegungen zur Christologie und christlichen Anthropologie. Zeitschnur Verlag, Karlsruhe 2021, broschiert, 304 Seiten, 18 Euro