© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Aufgeschnappt
Prekäre Löschungen
Matthias Bäkermann

Harald Schmidt prägte 2005 den Begriff „Unterschichtenfernsehen“, gemünzt auf das TV-Publikum der Privatsender. Als Prototyp des Geschmacks bildungsferner und prekärer Milieus konnte seinerzeit die RTL-II-Doku-Soap „Frauentausch“ reüssieren, bei der Personen für gewisse Zeit ihre Rolle in fremden Familien wahrnehmen. Einige Protagonisten wie „Aggro-Andreas“ oder „Nadine the Brain“ konnten mit ihren sozialen Auffälligkeiten sogar Bekanntheit über das Zielpublikum hinaus erreichen.

Eine andere Kandidatin ist nun durch eine Wiederholungsfolge von 2012 wegen ihrer „zutiefst homophoben und menschenverachtenden Aussagen“ ins Visier geraten. Das Mädchen äußerte ihr Unbehagen an zwei lesbischen „Tauschmüttern“, beschimpfte die Frauen  und äußerte ihr Unverständnis, daß diese Kinder erzögen. Anders als vor neun Jahren mobilisierte diesmal die LGBTQ-Szene ihren Protest in den sozialen Medien, da der „TV-Skandal“ (Kölner Express) ausgerechnet am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homofeindlichkeit, ausgestrahlt wurde. RTL- II reagierte umgehend und löschte nicht nur diese Folge, sondern die komplette „Frauentausch“-Serie von der hauseigenen Streaming-Plattform. „Wir prüfen nun das gesamte Archivmaterial der Mediathek“, gab der Sender bekannt.