© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Minister kommen, Minister geh’n
Paul Rosen

Richtig angekommen war Franziska Giffey in der Bundespolitik nie. Es war der Personalmangel in der ausblutenden SPD, der die Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln 2018 Bundesfamilienministerin werden ließ. Ein Bundestagsmandat hatte sie nie, und Giffey wollte auch bei der Wahl 2021 keins anstreben, sondern als SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl zurück in die Berliner Politik. Ein häufiges Politikerschicksal sorgte für ein noch schnelleres Ende ihrer bundespolitischen Laufbahn. Der Doktortitel soll ihr aberkannt werden, was in der Merkel-Ära auch schon die Minister Annette Schavan (CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Ämter gekostet hatte.

Führungslos wird ein Ministerium nach einem Ministerrücktritt nicht. Die eigentliche Arbeit erledigen beamtete Staatssekretäre, die ihre Häuser in- und auswendig kennen. Wer als Minister Externe in die Hausleitung holt, kann schnell ein Fiasko erleben. Das erfuhr die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die die Unternehmensberaterin Katrin Suder engagierte. Nur der Weggang nach Brüssel bewahrte von der Leyen davor, im Sumpf der von Suder zu verantwortenden „Berateraffäre“ zu versinken.

Die in jedem Ministerium zu findenden Parlamentarischen Staatssekretäre vertreten den Minister nur im Bundestag. Aufgaben im Ministerium haben sie nicht. Schon seit Bonner Zeiten kursiert das Zitat eines beamteten Staatssekretärs über seine „Parlamentarischen“ Kollegen: „Sie übernehmen für uns die Arbeit, die wir ohne sie nicht hätten.“

Nach den Regularien der Bundesregierung vertritt Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Familienministerin. Karliczek gilt jedoch schon mit ihrem eigentlichen Aufgabengebiet als überfordert. Daß Karliczek nicht zum Zuge kommt, ist allerdings auch mit der Koalitionsarithmetik zu erklären. Das Familienministerium wäre damit faktisch von der CDU übernommen worden, die SPD hätte ein Ressort verloren. Deshalb wollte die SPD Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) als Vertretung. Initiativen sind von ihr nicht mehr zu erwarten, da sie ihren Rückzug aus der Politik schon angekündigt hat. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nichts mitzubestimmen. Jeder Koalitionspartner entscheidet allein, wen er ins Kabinett schickt.

Die SPD hatte offenbar kein Interesse, das Amt für die vier Monate bis zur Wahl neu zu besetzen – oder es gab kein geeignetes Personal. Das war nicht immer so. Als 2002 Gerhard Schröder Kanzler und die SPD noch erheblich vitaler war, warf Schröder Verteidigungsminister Rudolf Scharping nach diversen Affären nur acht Wochen vor der Wahl raus. Zum Nachfolger wurde SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck berufen, der das Amt auch nach der Bundestagswahl behielt.

Merkel selbst sorgte 2017 nicht für Ersatz, als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Bundestagspräsident wurde. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) übernahm daraufhin das Finanzressort und war 141 Tage „Superminister“.