© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Polens Patriotismus über alles
Gedenken an Schlesischen Aufstand: Kein gemeinsames polnisch-deutsches Symbol auf dem St. Annaberg
Paul Leonhard

Es wird auch weiterhin keinen gemeinsamen Ort geben, an dem deutsche und polnische Oberschlesier der während der Kämpfe zwischen 1919 und 1921 Gefallenen und Ermordeten gedenken können. Bei den offiziellen Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des 3. Schlesischen Aufstandes auf dem St. Annaberg (JF 21/21) wurde deutlich, daß sich die polnisch-patriotische geschichtliche Linie gegenüber der offenen, versöhnenden durchgesetzt hat. Zu diesem Resümee kommt Norbert Urban, Chefredakteur des in Schlesien erscheinenden „Wochenblatt. Zeitung der Deutschen in Polen“, in seiner Kolumne „Mein Senf dazu“. 

Enttäuscht zeigte sich auch Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes deutscher Gesellschaften (VdG), der erwartet hatte, daß sich Andrzej Duda „über die engen, lokalen, archaischen und vom historischen Wissen losgelösten Aussagen und Taten stellen“ könne. Der amtierende Staatspräsident hat nicht die Größe seines Amtsvorgängers Bronisław Komorowski, der vor zehn Jahren auf dem St. Annaberg zwar des „Heroismus der Aufständischen, ohne die Schlesien nicht Teil Polens geworden wäre“, gedachte, aber immerhin auch sagte: „Wir achten auch die Wahl derer, die auf der anderen Seite des Konfliktes standen.“

Politischer Mißklang statt „Geist der Versöhnung“ 

Zwar erwähnte auch Duda die deutschen Kämpfer, die „jungen Männer aus schlesischen Dörfern oder Freikorps-Soldaten aus Bayern“, stellte aber kein versöhnendes gemeinsames Gedenken in Aussicht, was das Wochenblatt mit der Schlagzeile „Großer Mißklang“ kommentierte. 

So dürfte es die deutsche Minderheit als weiteren Affront betrachten, daß Duda dem Großstrelitzer Landrat Józef Swaczyna die erste von 100 Gedenktafeln an den 3. Schlesischen Aufstand überreichte, auf der steht: „Zum Gedenken an die heldenhaften Teilnehmer der drei Unabhängigkeitsaufstände, die in den Jahren 1919, 1920 und 1921 die Zugehörigkeit Oberschlesiens zum unabhängigen Polen erkämpft haben.“

Der Verband deutscher Gesellschaften in Polen hatte bereits vor zwei Jahren eine Resolution verabschiedet, in der dazu aufgerufen wurde, ein Mahnmal im „Geiste der Versöhnung und der Überwindung der Ursachen dieser Konflikte“ zu schaffen. 

Aber weiterhin ist die Bewertung der bewaffneten Auseinandersetzungen, die in jenen Jahren Oberschlesien erschütterten und deren Bezeichnung als „Schlesische Aufstände“ genauso unzutreffend ist wie der Begriff der „wiedergewonnenen Gebiete“, noch immer zu unterschiedlich. 

Dabei räumen inzwischen auch einige polnische Historiker ein, daß die Kämpfe Versuche des jungen polnischen Staates waren, die Bevölkerung vor den Volksabstimmungen über den Verbleib Oberschlesiens einzuschüchtern, die Machtlosigkeit Deutschlands zu demonstrieren und durch den Einmarsch als Milizen getarnter regulärer Truppen Tatsachen zu schaffen. 

Der Aufstand sei das bewaffnete Erzwingen einer anderen Aufteilung Oberschlesiens gewesen, als sie sich durch die Ergebnisse der Volkszählung ergeben hatte, erinnerte Gaida, der den Oppelner Bischof Andrzej Czaja für dessen Ansprache würdigte: „Der Ordinarius sprach eben über den Konflikt als einem für die Region tragischen Bruderkampf, wenngleich vorher die Gebiete wegen ihres friedlichen Zusammenlebens der Menschen bekannt gewesen sind.“ Vor allem aber hat sich der Bischof für ein gemeinsames Gedenken dieser Ereignisse ausgesprochen. 

An die deutschen Verteidiger Oberschlesiens erinnert heute nur noch ein einzelnes Denkmal in der Woiwodschaft Schlesien. „Für unsere liebe Oberschlesische Heimat starben“ steht in Stein gehauen auf einem Ehrenmal in Kranowitz (Krzanowice). Hier legten im Mai Vertreter der deutschen Minderheit Kränze nieder und stellten Grablichter auf.