© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

„Öffentliche Bevormundung“
Verkehrspolitik: Während die Parteien und Medien von Fahrrad, Bahn und Bus schwärmen, zeigt eine HUK-Studie die anhaltende Beliebtheit des Privatautos
Marc Schmidt

Nicht nur die Grünen, auch Linke, SPD, FDP und Union wollen das Autofahren immer teurer machen. Ihr Streit dreht sich nur darum, ob das mit Abgaben, CO2-Zertifikaten, Steuern oder Verboten am besten gelingt. Dabei ist der Pkw laut einer repräsentativen und aktuellen Umfrage des Versicherers HUK-Coburg nach wie vor das beliebteste Fortbewegungsmittel. Die Corona-Pandemie mit Maskenzwang und Ansteckungsgefahr hat die Wertschätzung für individuelle Mobilität sogar deutlich gesteigert.

Dies zeigt sich vor allem in Metropolen mit gut ausgebautem ÖPNV und flacher Topographie. Gerade hier wird dem Auto zwar immer noch eine geringere Wertschätzung entgegengebracht, aber die Autoneigung steigt – Park- und Stellplätze sind rar, und Radeln ist in Hamburg gemütlicher als in Stuttgart. Bundesweit zeigt die HUK-Studie, daß die Verkehrspolitik und die Vorgaben der Hersteller bei zentralen Aspekten an den Interessen der Bürger vorbeigehen.

Für 70 Prozent ist ein Auto weiterhin unverzichtbar

Ein Fünftel der 4.029 Befragten ab 16 Jahren gab an, daß sich die Mobilitätskonzepte zu sehr auf die Städte ab 50.0000 Einwohner beziehen würden. Mehr als ein Viertel beklagte eine sehr einseitige Mobilitätsforschung und eine „öffentliche Bevormundung“. 15 Prozent finden, daß „Politik und Medien“ das Auto unangemessen verteufelten. Fast die Hälfte glaubt, daß das Auto auch in Zukunft nicht seine bisherige Bedeutung verliert.

Betrachtet man diesen Punkt bundesländerspezifisch, zeigen sich klare Unterschiede zwischen Metropolen mit akzeptablem ÖPNV und der Mehrzahl der Länder und Einwohner. Bundesweit erklären gut 70 Prozent, daß ein Auto im Haushalt für sie beruflich oder privat unverzichtbar ist. In ländlichen Regionen steigt dieser Wert auf über 90 Prozent. Selbst in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg kann mehr als die Hälfte nicht auf ein Auto verzichten.

Doch ihre Sorgen wachsen: Knapp die Hälfte der Befragten fürchtet steigende Kosten für Mobilität. Die Mehrheit hält diese bereits für zu hoch. Nur gut ein Viertel befürchtet zu wenig Umweltschutz in den Verkehrsplanungen – das erklärt aber die derzeitigen grünen Umfragewerte. Hieraus ergeben sich auch die am häufigsten genannten Forderungen nach sinkenden Mobilitätskosten: Mobilität müsse für breite Bevölkerungskreise bezahlbar bleiben. Sprich: Das Auto ist nicht von gestern. Die defizitäre Bahn, die mit Steuermilliarden ausgebaut werden soll, schneidet beim Verkehrsmittelvergleich ausgesprochen schlecht ab.

Als wichtigste Kriterien für die Wahl zwischen Auto, Bahn, Bus und Flugzeug nannten die Befragten Kosten, Schnelligkeit und Flexibilität mehr als doppelt so oft wie „grüne“ Gesichtspunkte, etwa den medial propagierten Wunsch nach einer „CO2-neutralen Fahrt“. Auch der offenbar neu entdeckte Hygiene-Aspekt hat zu einer Renaissance des Autos gegenüber Bus und Bahn beigetragen.

Die drei wichtigsten Kriterien sieht die Masse der Bürger nicht durch die Bahn erfüllt, weshalb 73 Prozent angeben, daß aktuell nur das Auto ihre Ansprüche am besten erfülle. Auch die aktuellen Mobilitätskonzepte und versprochenen Investitionen ändern dies nicht. Auch in Zukunft sehen fast 70 Prozent der Befragten ihre Ansprüche nur durch ein Auto befriedigt. Die Bahn erhält zu beiden Fragen magere 16 Prozent der Mehrfachnennungen, Busse erhalten zehn Prozent. Zum Vergleich: 38 Prozent nennen zumindest unter den besten drei Verkehrsmitteln das Zufußgehen, knapp 30 Prozent das Fahrrad.

Klare Absage an die verlangte Mobilitätswende

Überraschend ist – trotz der geringen Verkaufszahlen – die offenbar steigende Popularität des Elektroautos. Bereits 17 Prozent gaben an, daß sie künftig ausschließlich ein E-Mobil erwerben werden, in den rot-grünen Metropolen Berlin und Hamburg sind es sogar über 20 Prozent. Dieser Wert wird nur übertroffen von Dörfern mit weniger als 2.000 Einwohnern, in denen die E-Kaufpläne fast 25 Prozent erreichen. Während sich dies in ländlichen Gegenden mit konstanten Strecken und eigenen Immobilien, subventionierten Ladestationen und genügend Stellplätzen erklären läßt, ist die Affinität in den Großstädten vor allem privilegierten Parkplätzen und großem Einkommen geschuldet.

Renault Zoe, VW ID.3, Hyundai Kona, BMW i3, Audi E-Tron oder die besonders teuren Tesla-Modelle werden in „hippen“ oder wohlhabenden Gegenden bevorzugt, in denen eine Lade­infrastruktur installiert werden kann. Normal- und Geringverdienern in eng bebauten Gegenden bleibt bei künftig unbezahlbaren Preisen nur der Autoverzicht. Die Anschaffung eines Elektrowagens jenseits von 30.000 Euro ist für sie keine Alternative. Bemerkenswert ist ebenso, daß mehr als 20 Prozent der Berliner angaben, daß sie selbst überrascht waren, daß ein Auto in der Pandemie nun einen besonderen Wert als Verkehrsmittel hat.

Die meisten erklärten dies mit dem überlegenen Komfort. Eine mögliche Erklärung: Im ÖPNV gilt eine Maskenpflicht. Zugleich ist das allgemeine Verkehrsaufkommen aufgrund von Homeoffice, Schulschließung sowie geschlossenen Restaurants und Geschäften gesunken. Folglich gab es auch weniger Staus. Daß sich das Komfortargument vor allem auf den Berufsverkehr konzentriert, läßt sich auch daran erkennen, daß nur 37 Prozent der Berliner es als Vorteil ansehen, jederzeit ein eigenes Auto spontan nutzen zu können. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Wert bei über 50 Prozent.

Auch wenn die HUK-Studie bewußt auf politische Fragen verzichtet hat, sind die Antworten durchaus als Absage an die allermeisten verkehrspolitischen Programme für den Bundestagswahlkampf zu sehen. Abseits von Kaufprämien für die Befürworter von Elektroautos findet sich kaum ein Punkt, an dem die Wahlprogramme – außer der AfD und teilweise der Freien Wähler – zu den geäußerten Ansichten passen.

Beispielhaft steht dafür auch ein weiteres Studienergebnis. So lehnen es mehr Deutsche ab, sich in ein autonom fahrendes Auto zu setzen, als etwa in Elon Musks futuristischen „Hyperloop“ (ein superschnelles Kapseltaxi in einer weitgehend luftleeren Röhre) oder in ein elektrisches „Flugtaxi“.

„HUK-Coburg Mobilitätstudie 2021“: huk.de