© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Landauf, landab ist man betroffen über den eingeschleppten Judenhaß. Selbstverständlich sucht der Deutsche die Schuld zuerst bei sich selbst. Aber weit kommt er nicht, da es offenbar um eine Begleiterscheinung der Willkommenskultur geht, zu der er sich auch aus Gründen des „Nie wieder!“ verstanden hatte. Also tut er das naheliegende und das heißt: das Therapeutische. Mit Erziehungsprogrammen soll jungen Menschen – insonderheit: Männern – aus dem muslimischen Kulturraum der Antisemitismus abgewöhnt werden. Man muß kein Prophet sein, um das Scheitern dieser Bemühungen vorauszusagen. Dazu eine kleine Anekdote: Vor gut zwanzig Jahren erzählte mir ein Lehrer, daß seine Schule während der Gedenkstunde am 27. Januar einen Eklat erlebte, weil ein Schüler libanesischer Herkunft während der Rede des Vertreters der örtlichen jüdischen Gemeinde immer wieder störte und zuletzt mit sanftem Druck aus dem Saal geführt werden mußte. Selbstverständlich hatte das Ganze ein Nachspiel. Aber zur Rede gestellt, zeigte sich der Halbwüchsige uneinsichtig und soll dem Direktor ins Gesicht gesagt haben: „Wenn ihr Deutschen das Bedürfnis habt, vor den Juden auf dem Bauch zu rutschen, ist das eure Sache. Meine nicht – ich bin ein Araber und habe Stolz.“ Auf meine Frage, was daraufhin geschehen sei, erhielt ich die Antwort: Die Gedenkstunde fand in Zukunft nicht mehr statt.

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Die Kassiererin zum ersten Kunden: „Schönen Feiertag“; zum zweiten Kunden: „Schönen Vatertag“; zum dritten Kunden: „Schöne Himmelfahrt“.

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Peter Graf Kielmannsegg gehört zu jener seltenen Spezies, die die Bezeichnung „Politikwissenschaftler“ verdient. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe vom 17. Mai 2021) hat er sich unlängst mit Alexis de Tocqueville und dessen 1835/40 erschienenem Buch „Über die Demokratie in Amerika“ beschäftigt. Nach Meinung Kielmannseggs muß man feststellen, daß Tocquevilles Prognose im Hinblick auf die zwangsläufige Demokratisierung moderner Gesellschaften ebenso eingetroffen ist wie die, daß die Freiheit in der Demokratie nicht mehr durch den despotischen Einzelnen bedroht wird, sondern durch den Konformismus und die Tyrannei der Majorität. Allerdings meint Kielmannsegg Tocqueville dahingehend korrigieren zu müssen, daß den Konformismus unserer Gegenwart nicht die Mehrheit, sondern aktivistische Minderheiten erzwingen. Er übergeht dabei die von Tocqueville gesehene Spannung zwischen den Polen „Freiheit“ und „Demokratie“. Das geschieht wohl in der Absicht, auf jenes – wenn man so will: altbundesrepublikanische – politische Modell zurückzukommen, das einen vernünftigen Ausgleich zwischen dem einen und dem anderen herzustellen suchte. Ein keineswegs unsympathischer, aber undurchführbarer Ansatz. Denn die Bedingungen für das Funktionieren waren Bestände aus vordemokratischer Zeit, die heute längst verbraucht sind, und der konkrete Schrecken angesichts der Folgen eines jede Freiheit vernichtenden Totalitarismus, von dem kaum etwas geblieben ist.

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Angesichts des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern kommen mir immer wieder zwei Äußerungen aus berufenem Mund in den Sinn. Die eine von Michael Wolffsohn, der gesprächsweise meinte, die Deutschen sollten endlich begreifen, daß es politische Probleme gebe, die unlösbar seien, die andere von Martin van Creveld, der äußerte, daß Frieden nur herrschen werde, wenn man eine Mauer zwischen Israel und den Palästinensergebieten baue, die so hoch sei, daß kein Vogel darüber fliegen könne.

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Die erhellenden Hinweise von Jacqueline Henley (Lesereinspruch in der Ausgabe vom 20. Mai) zum kriminellen Potential des „Hoodies“ wurden von ihr noch um folgenden Hinweis für die Situation in Großbritannien ergänzt: „Es ist wichtig zu sehen, daß die (zu 50 Prozent migrantische) kriminelle Szene nicht auf High-Tech, sondern auf Low-Tech setzt. Die Grundausstattung ist: 1. Hoodie, 2. Messer und 3. eine Flasche Draino (Abflußfrei/Säure). Diese ‘Waffen’ sind frei zugänglich und überall billig zu haben (notfalls aus Mutters Küche). Das Schlimme ist – im Gegensatz zum US gun crime –, daß viele der Opfer überleben. Schlimm deswegen, weil gerade die Opfer der Säure-Attacken auf das Schrecklichste entstellt sind. Ihr Leben ist zerstört. Die Bilder lassen einen nicht mehr los.“

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Während des Wochenendes, an dem der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main seinen Höhepunkt erreichen sollte, war von der Veranstaltung in der Stadt kaum etwas zu bemerken. Aber auf dem Römerberg lief man direkt in eine gigantische Luther-Figur aus Plastik: der Reformator als Exhibitionist. Ziel dieser Bloß-Stellung war, ihn für Hitlers Politik gegen die Juden verantwortlich zu machen. Durchaus darauf gefaßt, daß sich da irgendwelche „kritischen“ Teile des Protestantismus entfaltet hätten, stellte man beruhigt fest, daß die Geschmacklosigkeit auf die militanten Atheisten der Giordano-Bruno-Gesellschaft zurückging.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 11. Juni in der JF-Ausgabe 24/21.