© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Deutsch-polnische Konfrontation auf dem Stettiner Haff
Realsozialistischer Bruderzwist
(dg)

Über handfeste Streitigkeiten mit dem polnischen „Bruderstaat“, die es auch nach der 1950 erfolgten Anerkennung der „Friedensgrenze“ an Oder und Görlitzer Neiße en masse gab, stand in der DDR-Presse nichts. So fand sich auch keine Zeile über die etwa 180 Zwischenfälle, die sich in den 1980ern zwischen der DDR-Volksmarine und der polnischen Marine auf dem Stettiner Haff ereigneten. Küstenschutzboote beider Seestreitkräfte stießen hier, nach Einschätzung des Berliner Historikers Ulrich van der Heyden (Pommern, 1/2021), knapp unterhalb des Waffeneinsatzes zusammen. Die Lage in der Oderbucht hatte sich seit 1977 verschärft, als Polen von der in der UN-Seerechtskonferenz eingeräumten Möglichkeit sofort Gebrauch machte, seine Territorialgewässer in der Ostsee auf zwölf Meilen auszudehnen. Als die DDR, darauf bedacht, Polen gegenüber nicht als „revanchistisch“ zu erscheinen, daher erst 1984 nachzog, nahm Warschau dies als einen „gegen die Lebensinteressen Polens“ gerichteten Akt auf. Auch um vom Solidarność-Debakel abzulenken, spielte man diese „nationalistische Karte“. Offen plädierte die Stettiner Presse für eine militärische Konfrontation mit der DDR-Marine. Eine Aggressivität, die sich auszahlte, da die DDR im Vertrag über die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht vom Mai 1989 nachgab und polnische Maximalforderungen erfüllte. 


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