© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/21 / 28. Mai 2021

Umwelt
Brüsseler Nachtzüge
Jörg Fischer

Nur 8,5 Prozent des deutschen Personenverkehrs entfielen vor Corona auf die Bahn. Das war zwar mehr als vor 30 Jahren (6,5 Prozent), aber der Luftverkehr steigerte seinen Anteil von 2,6 auf 6,1 Prozent. Der Anteil von Bus und Straßenbahn ging von 9,3 auf 6,8 Prozent zurück. 78,5 Prozent (1991: 81,6 Prozent) schätzten weiterhin die Freiheit des eigenen Pkws oder Motorrads – und das bei insgesamt steigenden Fahrleistungen. EU-weit stagniert die Eisenbahn im Verkehrsmix bei sieben Prozent. Daher erklärte die EU-Kommission 2021 zum „Europäischen Jahr der Schiene“. Bis 2030 soll es einen „CO2-neutralen Linienverkehr“ auf Strecken von unter 500 Kilometern und eine Verdopplung des Schnellverkehrs (ICE, TGV & Co.) geben, verkündete Ursula von der Leyen.

Gibt es eine nachhaltige Alternative zu Kurzstreckenflügen und Autoreisen?

Sogar das bis 1939 fast perfekte und nach dem Krieg in West und Ost teilweise wieder aufgebaute europaweite Nachtzugnetz soll als „TEE 2.0“ auferstehen: „Nachtzüge haben ein enormes Potential, um mehr Fahrgäste für die Eisenbahn zu gewinnen. Zudem sind sie eine nachhaltige Alternative zu Kurzstreckenflügen und Fahrten mit dem Auto“, schwärmte die Kommissionschefin auf dem „Schienengipfel 2021“. Ja, Freitag abend in Berlin einsteigen und Samstag früh ausgeruht im Café Gerbeaud in Budapest frühstücken, das hat die ungarische MÁV jahrelang angeboten. Die russische RŽD bietet Berlin-Frankfurt-Paris – für 500 Euro im Liege- und 700 Euro im Schlafwagen. Für das Geld fliegen Air France und Delta aber auch nach New York oder Miami. Denn Nachtzüge sind „besonders kostenintensiv. Angesichts der anhaltend niedrigen Nachfrage stehen diese Ausgaben in keinem vertretbaren Verhältnis zum Ertrag“, teilte die DB noch im September 2020 mit. Daher wohl soll nun ein Teil des 750 Milliarden schweren Corona-Wiederaufbauplans „NextGenerationEU“ den Bahnsektor subventionieren.