© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Rahmenabkommen zwischen Schweiz und EU geplatzt
Europas Vielfalt akzeptieren
Lukas Steinwandter

Die Schweiz sei ein „geostrategisches Unding“ und ein „weißer Fleck auf der europäischen Landkarte“, polterte vor mehr als zehn Jahren der damalige Euro-Gruppen-Chef und spätere EU-Kommissions-Vorsitzende Jean-Claude Juncker. Der Brexit war damals noch fern, die EU schien – freilich vor Euro- und Flüchtlingskrise – geeint. Seit 2008 fordert die EU ein Rahmenabkommen mit der Schweiz. Am Mittwoch beendete die Schweiz die Verhandlungen darüber – spät, doch immerhin. 

Denn dieses „Unterwerfungsabkommen“ (SVP) hätte nicht nur das Verhältnis Schweiz-EU „grundlegend verändert“, wie Außenminister Ignazio Cassis (FDP) betonte, es hätte die Schweiz verändert. Dieses in Staatsform gegossene Freiheitsbestreben wäre durch die „dynamische Rechtsübernahme“, verminderten Lohnschutz und den Zugang von EU-Bürgern zu Schweizer Sozialleistungen erstickt worden. Obwohl die Schweiz Konzessionen machte, bewegte sich Brüssel kaum – ähnlich wie bei den Reformverhandlungen mit Großbritannien vor dem Brexit.

Die Schweiz verbinden mit der EU rund 120 bilaterale Verträge, die jedesmal neu verhandelt werden müssen, wenn sich EU-Recht ändert. Theoretisch könnte die EU jetzt auf stur schalten und diese auslaufen lassen. Sie sollte es aber nicht tun, sondern Verträge zum beidseitigen Vorteil schließen und die Vielfalt akzeptieren, die Europa ausmacht – statt diese weiter zu unterdrücken.