© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Oliver Kirchner will die AfD in Sachsen-Anhalt am Sonntag zur stärksten Partei machen.
Gewinner ohne Chance
Paul Leonhard

Mit „Fake-News“ kennt Oliver Kirchner sich aus: Vor zwei Jahren vergaloppierte sich etwa die Nachrichtenagentur dpa, als sie berichtete, der AfD-Fraktionschef und Oppositionsführer im Landtag Sachsen-Anhalts sei auf Lesbos gewesen, als dort ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge niederbrannte, und in eine Auseinandersetzung mit Linksextremisten geraten. Kirchner dementierte. Auch die taz mußte schließlich richtigstellen, daß sich die abgedruckte Tatsachenbehauptung „leider nicht beweisen“ lasse.

Der Zustrom an Wirtschaftsflüchtlingen hat den heute 55jährigen Automobilkaufmann, Kfz- und Karosseriebau-Mechaniker, der sich 1999 im Kraftfahrzeughandel selbständig machte, in die Politik getrieben. Seine politische Heimat fand er 2014 in der AfD, in der er eine Blitzkarriere hinlegte: 2016 zog der Magdeburger als Direktkandidat in den Landtag ein, wurde Vizefraktionschef und, als deren Vorsitzender André Poggenburg 2018 über eine allzu flapsige Aschermittwochsrede stolperte, dessen Nachfolger. Die Linken warfen ihm damals vor, wie sein Vorgänger eine „Strategie der gezielten Provokation“ zu verfolgen, jedoch nicht dessen rhetorische Fähigkeiten zu besitzen.

Deutliche Worte findet Kirchner trotzdem. So versicherte der Familienvater, dessen Ehefrau aus Moldawien stammt, daß er seine zwei „Kinder und meine Enkel nicht kampflos“ in eine von „Ministerpräsident Münchhausen“, wie er Reiner Haseloff nannte, und dessen Koalition geplante Zukunft entlassen wolle. Toleranz, so Kirchner, sei die „Tugend einer untergehenden Gesellschaft“. Wenn der stämmige AfD-Frontmann den Gegner namentlich zerpflückt, ist er wieder ganz der gewiefte Gebrauchtwagenhändler, der nicht selbst gehandelte Automarken respektive politische Ideen mit Sachkenntnis und en detail madig macht. Dann schleudert er der CDU ob eines extremistischen Mitarbeiters und den mit der Antifa verbändelten Linken auch schon einmal ein „Herzlichen Glückwunsch und Sieg Heil“ entgegen.

Daß der Verfassungsschutz, für den die Landes-AfD ein extremistischer Verdachtsfall ist, derartiges als „Revolutionsrhetorik“ einstuft, wird Kirchner, den man dem ehemaligen „Flügel“ zurechnet, nicht überraschen. Und die Schlapphüte dürften lange über die Bewertung seines Satzes gegrübelt haben, die AfD sei die „letzte evolutionäre Chance, dieses Land von einem wackligen Multikulti-Öko-Sozi-Buntland-Fundament auf ein Stahlbetonfundament zu stellen“.

Kirchner ist es zwar gelungen, die starke AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt zusammenzuhalten, aber seinem Ziel, einer „Achse mit der CDU“, ist er nicht näher gekommen. Und so wird die AfD, die in Umfragen mit 23 bis 26 Prozent mal vor, mal hinter der CDU liegt, selbst wenn sie am Sonntag gewinnen sollte, wohl auch weiterhin nur die Oppositionsbank drücken.