© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Vertrauen ist schlecht, Kontrolle ist nötig
Christian Vollradt

Endlich mal wieder mit Freunden im Biergarten treffen oder durch die Boutiquen bummeln – wer die ersten Öffnungen in Richtung Normalität nutzen möchte, kann dies in aller Regel derzeit nur mit Vorlage eines negativen Coronatests tun, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Entsprechend groß ist die Nachfrage. Und weil für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche der Bund die Kosten übernimmt, schossen in jüngster Zeit die neueröffneten Teststellen wie Pilze aus dem Boden. Denn diese Teststellen erhalten 18 Euro pro Test.

Und diese Summe bekommen sie offenbar auch für Tests, die gar nicht gemacht wurden. Wie Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung  ergaben, seien beispielsweise an einer Teststelle in Köln statt der 70 wirklich genommenen Proben fast 1.000 abgerechnet worden. Wie schon bei den Corona-Hilfen war die Pandemie auch hier offenbar ein Einfallstor für Kriminelle. Erleichtert wird deren Handwerk durch fehlende Kontrollen.

Kurz nachdem die ersten Berichte darüber erschienen waren, nahm die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum Ermittlungen auf. Freitag vergangener Woche wurden Geschäftsräume und Privatwohnungen im Ruhrgebiet durchsucht und dabei Unterlagen beschlagnahmt.

Der Bochumer Immobilienunternehmer Oguzhan Can, Inhaber des in die Schlagzeilen geratenen Teststellenbetreibers MediCan, hatte die Diskrepanzen damit zu erklären versucht, daß die Testungen in einigen Städten mit mehreren Standorten zusammengefaßt übermittelt worden seien. Das sei „in Absprache mit den Behörden“ erfolgt. Diese Behauptung dementierten jedoch die Gesundheitsämter von Münster, Essen und Köln umgehend. Im Gegenteil: Eine Übertragung von Zahlen auf andere Standorte sei nicht zulässig, hieß es übereinstimmend. Inzwischen wurde mehreren Testzentren von MediCan bereits die Beauftragung entzogen.

Seitens der Politik folgt – wie stets, wenn es ums Versagen bei der Kontrolle geht – das beliebte Schwarzer-Peter-Spiel: „Der Bund schiebt die Verantwortung auf die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Länder, und die schieben sie zurück an den Bund“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Rheinischen Post. Für ihn ist jedenfalls klar, wer nicht zuständig ist: die Gesundheitsämter der Kommunen. Die seien schließlich ohnehin schon „völlig überlastet“.

Das Gegenteil meint der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen: Die fachliche Kontrolle „obliegt den Gesundheitsämtern“. Die Kassenärzte, die das Geld weiterreichen, seien aus Datenschutzgründen nicht in der Lage zu prüfen, denn die Angaben der Testzentren dürften „keinen Bezug zu getesteten Personen aufweisen“.

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nannte die mutmaßlich kriminellen Machenschaften „eine absolute Sauerei“. Bestätige sich der Betrugsverdacht, müßten solche Testzentren aus dem Verkehr gezogen werden. Nach Beratungen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will man die Überwachung nun verschärfen. So sollen künftig die Kassenärztlichen Vereinigungen die abgerechneten Tests mit den Kosten für die Testkits abgleichen.