© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Doch uns’re Liebe ist teuer bezahlt
Verhandlungen mit Namibia: Die Bundesregierung bezeichnet die Niederschlagung des Herero-Aufstands nun offiziell als Völkermord / Kritik von Nachfahren
Paul Leonhard

Die Bundesregierung hat die Niederschlagung der Aufstände der Hereo und Nama durch kaiserliche Truppen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884–1915) offiziell als Völkermord anerkannt. Er sei „froh und dankbar, daß es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen“, äußerte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Doch aus Namibia kam umgehend Kritik. Von einer Vereinbarung zum Nachteil der Nachfahren der Opfer und einer „Beleidigung“ spricht Inna Hengari, Vertreterin der größten Oppositionspartei Popular Democratic Movement. Ausgelöst haben den Streit jene 1,1 Milliarden Euro, die Berlin „als Geste der Anerkennung des unermeßlichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde“, so Maas, „Namibia und den Nachkommen der Opfer zum Wiederaufbau und zur Entwicklung“ zukommen lassen will. Und über deren Verteilung jetzt in Namibia gestritten wird. So wird der Regierung von Präsident Hage Geingob vorgeworfen, die Nama und Herero aus dem Verhandlungsprozeß ausgeschlossen zu haben. Auch sollte das Geld nicht an die Regierung, sondern „an die traditionellen Anführer der betroffenen Gemeinschaften“ gehen. 

Und damit dürfte er gar nicht so verkehrt liegen. Denn die jetzt zugesagte Summe liegt etwa so hoch wie die, die Deutschland seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 als Entwicklungshilfe bis 2019 gezahlt hat. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes mehr als eine Milliarde Euro. Schon zwischen 2006 und 2016 waren die Siedlungsgebiete jener Volksgruppen speziell gefördert worden, die unter der Kolonialherrschaft besonders gelitten hatten. Weitere 154 Millionen Euro waren 2019/20 an Namibia geflossen. Gleichzeitig betonte die Bundesregierung, daß sich aus der Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern es sich um eine „politisch-moralische Verpflichtung“ handelt.

Während der Aufstände zwischen 1904 und 1908 sollen etwa 65.000 von 80.000 Herero und 10.000 von 20.000 Nama getötet worden sein. Allerdings war die Bevölkerungszahl der Herero vor dem Krieg gar nicht bekannt. Und seit den Aufständen wurden zu wenige menschliche Überreste gefunden, als daß auf 75.000 Getötete geschlossen werden könne. 

Bereits diesen Monat soll ein Vertrag die Verhandlungen abschließen, den dann  beide Parlamente ratifizieren müssen. Im Anschluß will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Namibia reisen, um offiziell um Verzeihung zu bitten.

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