© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Lobbyarbeit, die fruchtet
Beratungen zum Kabinettsausschuß gegen Rechtsextremismus – Teil 2: Wie Aktivisten mit Steuergeld ihren Einfluß ausweiten
Björn Harms

Genau ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des US-Amerikaners   George Floyd setzten in der vergangenen Woche auch in Deutschland erneut Debatten um das Thema Rassismus ein. Nach dem Wunsch vieler Aktivisten muß die Aufklärung hierzulande deutlich intensiviert werden. „Antirassismus steckt noch in den Kinderschuhen“, beklagte etwa die Soziologin Natasha A. Kelly am 25. Mai im Tagesspiegel. 

Schon bei den Voranhörungen des „Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus  und Rassismus“ im vergangenen Jahr spielte das Thema eine zentrale Rolle. Wir erinnern uns: Am 20. August 2020 waren 48 „Migrantenorganisationen und Akteure der Zivilgesellschaft“ vom Kabinettsausschuß eingeladen worden, um bei der Ausarbeitung des „Maßnahmenkatalogs gegen Rechtsextremismus  und Rassismus“ zu helfen. Knapp 1,15 Milliarden Euro an Fördermitteln hängen an dem Plan.

Und so fanden sich auch mehrere Vertreter von Lobbygruppen in Berlin ein, die sich explizit dem Antirassismus und Postkolonialismus verschrieben haben. Die meisten von ihnen vertreten ein Weltbild, das sich klar an Hautfarben orientiert, wobei die weiße Mehrheitsgesellschaft die Unterdrückerrolle einnimmt. Geändert werden soll das durch freiwillige, aber auch gesetzlich verankerte „Antirassismus“-Maßnahmen.

Plünderungen als Kampf gegen „rassistisches System“

Die Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsverbands Deutschland (advd), Eva Andrades, kritisierte bereits 2018 in einem Beitrag für die Broschüre „Rassismus und Justiz“ des Migrationsrats Berlin: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auf die individuelle Ebene beschränkt und spricht Rassismus nicht als gesamtgesellschaftliches Problem an.“ Deshalb müsse man versuchen, „für Deutschland eine Critical Race Theory (CRT) zu entwickeln“. Diese setze voraus, „daß institutioneller Rassismus als Machtinstrument und Machtbasis für die Vorherrschaft der weißen Mehrheitsgesellschaft existiert.“ 

Zwei Jahre später saß der advd bei den Voranhörungen des Kabinettsausschusses mit am Tisch. Auch weitere Organisationen und Wissenschaftler, die sich in ihrer Arbeit an der „Kritischen Rassentheorie“ orientieren, waren vor Ort. Und siehe da: Die langjährige Lobbyarbeit der Aktivisten scheint zu fruchten. Es sei bei den Anhörungen von der Wissenschaft bestätigt worden, daß „ein Nachholbedarf bei der rechtswissenschaftlichen Forschung zu Rassismus besteht“, heißt es im Abschlußbericht des Kabinettsausschusses. Insbesondere „die aus dem US-amerikanischen Diskurs stammende Critical Race Theory“ würde „nur unzureichend zur Kenntnis genommen“. 

Daß die Ideologie nun erstmals Einzug hält in ein offizielles Dokument aus den Ministerien, ist ein wichtiger Etappensieg für entsprechende Lobbygruppen. Und ein Anzeichen dafür, wie einseitig die Auswahl der Wissenschaftler war. Renommierte Migrationsforscher wie Sandra Kostner sprechen in bezug auf die CRT von einer „aktivistischen Wissenschaft“, die ohne empirische Basis auskomme. Die Grundannahme der Theorie, laut der in weißen Mehrheitsgesellschaften ein struktureller bzw. institutioneller Rassismus herrsche, könne schließlich niemals bewiesen werden.

Das dürfte Vereinen wie „Each One Teach One“ (EOTO), die sich für ein „Empowerment für Schwarze, Afrikanische und Afrodiasporische Menschen“ einsetzen, herzlich egal sein. Auch sie durften am 20. August den Vertretern der Ministerien ihre Expertise darlegen und versuchen, auf die Erstellung des „Maßnahmenkatalogs gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ einzuwirken. Finanziell ist man bereits gut aufgestellt: Über das Programm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erhielt der Verein seit 2017 knapp 2,1 Millionen Euro. Die Antidiskriminierungsstelle bei EOTO leitet Jeff Kwasi Klein, ein Berliner Lokalpolitiker der Grünen, der vor wenigen Monaten auf einer „Black Lives Matter“-Demonstration damit auffiel, die massive Gewalt im Zuge der Proteste rund um den Tod von George Floyd zu rechtfertigen. „Ihr beschwert euch über die Riots und über die Plünderungen und versteht nicht, daß dies organisierter Widerstand ist gegen ein rassistisches System, das nur dann zuhört, wenn es sich physisch oder finanziell bedroht fühlt“, rief er in die Menge. Vor „mehr als 500 Jahren“ seien „europäische Barbaren auf ihren Raubzug durch die Welt gegangen“ und hätten „rassistische Systeme aufgebaut, die uns bis heute den Atem nehmen“.

Vorstandsvorsitzender der Organisation ist Daniel Gyamerah, welcher derzeit die Konzeption und Durchführung einer Pilotstudie zu „Diversität unter Führungskräften der Berliner Verwaltung“ leitet. Als zertifizierter „Diversity- und Empowerment-Trainer“ dürfte es ihn freuen, daß künftig „antirassistische“ Schulungen laut Kabinettsbeschluß auch in Bundesbehörden geplant sind, etwa bei der Ausbildung der Polizei. 

Zudem will man künftig die Schulen für derartige Themen sensibilisieren. Demnach soll die „diversitätsorientierte und rassismuskritische Bildung auf- und ausgebaut“ werden. Neben den „anerkannten Trägern der politischen Bildung“ sollen auch Migrantenorganisationen an dem Programm beteiligt werden. Im Bereich schulische Bildung ist auch die Studienrätin Saraya Gomis tätig, ebenfalls im Vorstand von EOTO aktiv. Sie bezeichnete im vergangenen Jahr in der ARD-„Tagesschau“ Deutschland als Entwicklungsland in Sachen Rassismusforschung und schließt damit direkt an die fortwährende Rassismuskritik des DeZIM-Instituts an, der mittlerweile zentralen Instanz der deutschen Migrationsforschung (JF 52/20). Auch die meisten Wissenschaftler von DeZIM sind Anhänger der eingangs erwähnten „Critial Race Theory“, die in Deutschland seit einigen Jahren vor allem vom Center for Intersectional Justice (CIJ) vorangetrieben wird. 

Die 2017 gegründete NGO und ihre Chefin Emilia Roig verfügen über beste Kontakte in die USA. Bestsellerautorin Roig ist mittlerweile eine gefragte Interviewpartnerin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. „Was als normal gilt, wird von Weißen bestimmt“, beklagte sie kürzlich im Deutschlandfunk. An eine Person aus dem Umfeld dieser Lobbygruppen dürfte auch der Posten des Antirassismusbeauftragten gehen, der in der Regierungskoalition ab 2022 vereinbart ist. Der Beauftragte unterliegt „keiner fachlichen Weisung der Bundesregierung“, heißt es dazu im Abschlußbericht des Kabinettsausschusses. 

Weiterhin haben die Vereine gerade bei den Parteistiftungen ihren Fuß in der Tür. Gemeinsame Veranstaltungen, Treffen und Debatten über das Thema Rassismus sind gang und gäbe. Einer der Dreh- und Angelpunkte der „antirassistischen Szene“ ist das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie, das der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung angegliedert ist. Diese erhielt im 2020 etwa 74 Millionen Euro Fördermittel vom Bund, ein Teil davon floß ans Gunda-Werner-Institut. Gemeinsam mit dem CIJ ehrte man beispielsweise im April 2019 die Grande Dame der „Critical Race Theory“, die US-Amerikanerin Kimberlé Crenshaw, mit einer feierlichen Gala. Die Veranstaltung fand in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung statt. Politischer Einfluß, der mit Hinblick auf eine mögliche Beteiligung der Grünen an der nächsten Bundesregierung kaum unterschätzt werden kann.

(Grafiken siehe PDF)