© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

„Ultragefährlicher Präzedenzfall“
Belgien: Sechs Monate Gefängnis für das Entrollen eines Plakates „ Stoppt die Islamisierung“
Mina Buts

Das Entrollen eines Banners mit dem Spruch „Stoppt die Islamisierung“ wird mit sechs Monaten Gefängnis geahndet. So jedenfalls lautet der Urteilsspruch, der in der vergangenen Woche gegen vier Aktivisten der flämisch-nationalen Vorfeldorganisation „Voorpost“ ergangen ist. Sie hätten mit ihrer Aktion zu „Haß und Gewalt gegen die muslimische Gemeinschaft“ aufgerufen, so die Richterin am Mechelner Gericht.

Die verurteilten Männer hatten es im vergangenen Jahr im Mai gewagt, auf dem Großen Markt in Mechelen gegen ein eigens gegen sie erlassenes Demonstrationsverbot zu protestieren. Dabei zeigten sie einige Minuten lang ihr Banner und verteilten Flugblätter. 

„Legitime Proteste werden verfolgt“

Ihre Aktion richtete sich gegen eine Zusammenkunft von meherern Dutzend Moslems, die wenige Tage zuvor unter Mißachtung aller Corona-Restriktionen das Ende des Ramadans gefeiert hatten und dabei von der flämischen Polizei – die sonst nicht gerade zimperlich ist – unbehelligt geblieben waren. Die vier Aktivisten dagegen wurden sofort verhaftet und stundenlang festgehalten.

Luc V., einer der Verurteilten, erklärte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „Mit diesem Urteil wird das Recht auf freie Meinungsäußerung vernichtet. Jede Partei oder Gruppierung, die den Slogan ‘Stoppt die Islamisierung’ künftig noch benutzt, muß damit rechnen, strafrechtlich belangt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden.“

Noch weiter geht der Parteivorsitzende des Vlaams Belang (VB), Tom Van Grieken: „Es ist eingetreten, wovor wir seit Jahren warnen: daß die Antirassismus- und Antidiskriminierungsgesetze mißbraucht werden, um legitime politische Proteste zu verfolgen und zu bekämpfen.“ Die Verurteilung sei das Schlimmste, was er in seiner politischen Laufbahn je mitgemacht habe, und ein „ultragefährlicher Präzedenzfall“.

Aus Protest gegen den unverhältnismäßigen Richterspruch trafen sich noch am Abend der Urteilsverkündung die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentsabgeordneten des Vlaams Belang in Mechelen. Neben „Stoppt die Islamisierung“ wurde auch ein Banner „Stoppt die Zensur“ entrollt. Die Abgeordnete Marijke Dillen (VB) warnte, diese Verurteilung könne den Weg in eine Diktatur markieren.

Der Parteivorsitzende der nationalkonservativen Neu-Flämischen Allianz (N-VA), Bart De Wever, twitterte, er sei zwar nicht einverstanden mit den Leuten, die den Islam in dieser Weise kritisierten, aber dies gehe zu weit: „Die Freiheit kann nicht verteidigt werden, indem sie eingeschränkt wird.“ Seine Befürchtung: die jetzige Regierung werde auf ihrem Weg der Meinungsbeschränkung noch weiter gehen und „Fakenews“ und „Hatespeech“ noch schärfer bekämpfen.

Auch wenn die vier Verurteilten angekündigt haben, gegen das Urteil in Berufung zu gehen, und der Vlaams Belang für den 13. Juni zu einer Großdemonstration in Mechelen aufgerufen hat: Das Gefühl, daß mittlerweile nicht mehr nur scheibchenweise Freiheitsrechte eingeschränkt werden, verstärkt sich. 

Foto: Aktivisten der flämisch-nationalen Vorfeldorganisation „Voorpost“: Das Banner sorgt für Aufsehen