© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/21 / 04. Juni 2021

Ein Kanal für konservative Briten
Mit Spannung erwartet: Der neue Fernsehsender GB News wirbelt die Medienbranche der Insel auf
Julian Schneider

Noch bevor der TV-Kanal GB News überhaupt auf Sendung gegangen ist, schrillen auf der Linken die Alarmglocken. Die Kampagnenorganisation „Stop Funding Hate“ trommelt seit Wochen auf Twitter und versucht einen Werbeboykott gegen GB News zu organisieren. Ein konservatives Kampf-TV wie das amerikanische Fox News werde der neue britische Fernsehkanal sein, so der Vorwurf, den linke Aktivisten und linksliberale Medien gerne übernehmen. „Das ist das Letzte, was Großbritannien braucht“, empörte sich auch die deutsche ARD-Korrespondentin in London, Annette Dittert, die sonst mit schrillen Outfits und schrillen Brexit-Warnungen auffällt.

Doch die Boykott-Aufrufe vom linken Rand verhallen mit relativ wenig Echo. Sie tragen eher dazu bei, die Neugier auf den neuen Sender zu steigern, der Mitte Juni mit dem Programm beginnt. Bekanntestes Gesicht des Projekts ist Andrew Neil, ein langjähriger BBC-Journalist, berühmt für seine gnadenlos harten, gleichzeitig vollendet höflichen Interviews. 2020 hat die BBC seine Sendung „Daily Politics“ abgesetzt, kurz darauf stieß der bestens vernetzte 72jährige zum Alternativprojekt GB News. Die ursprüngliche Idee stammt von Andrew Cole, einem der Vorstände des amerikanischen Medienkonzerns Liberty Global, dem unter anderem Virgin Media gehört. Zu den GB-News-Investoren zählt auch der Milliardär Christopher Chandler, Chef der in Dubai registrierten Investmentfirma Legatum.

60 Millionen Pfund Startkapital haben Investoren für GB News gegeben. Das ist nicht viel, aber eine Arbeitsgrundlage. „Low cost“ lautet das Geschäftsmodell. GB News soll etwa hundert Mitarbeiter engagiert haben, das Jahresbudget 25 Millionen Pfund nicht übersteigen. Andere Sender sind üppiger bestückt. Sky News verfügt über ein Jahresbudget von etwa 100 Millionen Pfund, die BBC hat fast 4 Milliarden Pfund zur Verfügung und produziert mit 20.000 Mitarbeitern eine Flut von Programmen und eine große Internetpräsenz. GB News soll 24 Stunden täglich senden, Nachrichten- vor allem viele Talk- und Meinungsprogramme.

Es ist die erste große Neugründung eines politischen Nachrichtensenders im Königreich seit drei Jahrzehnten. 1989 startete Sky News, gegründet von Rupert Murdoch; Andrew Neil war damals mit dabei. 1992 kam der öffentlich finanzierte Channel 4 dazu, der noch deutlich links von den BBC-Hauptsendern steht. Einmal schockierte Channel 4 die britischen Zuschauer mit einer Weihnachtsansprache von einer vollverschleierten islamischen Frau.

Alternative zur BBC

Den Anstoß für den neuen Sender gab das verbreitete Gefühl, daß die BBC und auch ITV von einer progressiven, „woken“ Ideologie durchzogen seien und vor allem die linksliberalen urbanen Milieus repräsentieren. Das konservative England werde übergangen. Vor und nach dem Brexit-Referendum 2016 war die BBC mit klarer Anti-Brexit-Agenda unterwegs. 2020 wirkte sie wie ein Sprachrohr der „Black Lives Matter“-Bewegung. 

GB News versichert, daß es keine Kopie von Fox News sein werde – dies gehe allein schon deshalb nicht, weil die Aufsichtsbehörde Ofcom den „unparteiischen“ Charakter überwacht. Aber es dürften bei GB News mehr Stimmen zu Wort kommen, die sich kritisch zum linksgrünen Mainstream äußern. „Wokewatch“ wird eine wöchentliche Sendung heißen. Der Comedian Andrew Doyle – Schöpfer der absurden Kunstfigur Titania McGrath (eine „intersektionelle Kämpferin für Soziale Gerechtigkeit“) – soll die Sendung „Free Speech Nation“ moderieren. Andrew Neil ist es gelungen, eine Reihe national bekannter Moderatoren, Journalisten und Reporter zu GB News zu holen. Britische Zeitungen bringen seitenweise Vorabberichterstattung. „GB News wird die einseitige, linke Rundfunk-Hegemonie zertrümmern“, überschrieb der konservative Daily Telegraph einen Kommentar.

Die neue Konkurrenz für die BBC kommt zu einem Zeitpunkt, da die fast hundert Jahre alte Rundfunkanstalt in der Defensive ist. Ein schwerer Schlag für ihr Image war der jüngst veröffentlichte Untersuchungsbericht darüber, wie der BBC-Reporter Martin Bashir 1995 mit gefälschten Dokumenten sein berühmt-berüchtigtes Panorama-Interview mit Prinzessin Diana erschwindelte und wie die Täuschung vertuscht wurde (JF 22/21). 

Demnächst wird auch über den neuen mittelfristigen Finanzierungsrahmen für die BBC verhandelt. 3,2 Milliarden Pfund nimmt die Rundfunkgesellschaft durch Gebühren ein (159 Pfund je Haushalt mit TV-Gerät). Die Johnson-Regierung will die BBC auf Sparkurs setzen. Innerhalb des staatlichen Medienriesen ist der Druck gestiegen, offensichtliche linke Schlagseite zu vermeiden. Die öffentlich-rechtlichen Journalisten sollen nicht mehr in Sozialen Medien ihre Privatmeinung zu kontroversen Themen verkünden. Aggressive linke Twitter-Eskapaden wie bei Jan Böhmermann oder anderen ARD/ZDF-Figuren wären in Großbritannien undenkbar.