© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Böses Erwachen der Woche
Freiwillige vor
Christian Vollradt

Dit is Berlin. Der Bundeshauptstadt steht am 26. September ein Superwahltag bevor. Nicht nur der Bundestag wird dann – wie in ganz Deutschland – gewählt, auch über die Zusammensetzung des Berliner Abgeordnetenhauses sowie der Bezirksverordnetenversammlungen wird an diesem Tag entschieden. Außerdem wird wohl auch der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zur Abstimmung stehen. Viele Zettel, noch mehr Kreuzchen – und alle müssen ordnungsgemäß ausgezählt werden. Dafür braucht es Wahlhelfer, in Berlin natürlich „Wahlhelfende“. Weil die einen wichtigen Dienst an unserer Demokratie leisten, haben sie einen Anspruch auf Schutzimpfung mit erhöhter Priorität. Wie der Tagesspiegel nun berichtet, bekundeten auf einmal signifikant mehr Freiwillige als sonst üblich ihr Interesse, Dienst an der Urne zu schieben. Ein „bisher nicht gekanntes Aufkommen entsprechender Bewerbungen als Wahlhelfer“ verzeichnete Berlins bevölkerungsreichster Bezirk Pankow. Von 6.000 Personen war die Rede. Im Wahlamt von Friedrichshain-Kreuzberg hatten sich laut Bezirk sogar 10.000 Freiwillige gemeldet. Doch siehe da: Nach Erhalt des Bestätigungsschreibens, das eine entsprechende Impfberechtigung auswies, zogen „jede Menge Freiwillige ihre Zusage zurück“, berichten die Beamten. Allein in drei Bezirken hätten sich rund 400 Leute vom Ehrenamt wieder abgemeldet. Statt Überfluß droht nun Mangel, statt fleißigen Helfern offerierten sich wohl lediglich Vakzin-Nassauer. Typisch Berlin? Eine Stadträtin empörte sich über diese „Impf-Trittbrettfahrer“. Weniger überrascht darüber dürften wohl diejenigen Zeitungsleser sein, die als Eltern schon mal ihrem Kind den ausgelobten Schokoriegel vor dem vereinbarten Geschirrspülerausräumen ausgehändigt haben.