© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Führungsfrage erst einmal geklärt
Österreich: Mit dem Rücktritt von Norbert Hofer soll nun Herbert Kickl die FPÖ als kantige Opposition führen
Robert Willacker

Der seit Monaten andauernde Machtkampf innerhalb der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) fand am 1. Juni um 16.12 Uhr ein Ende, als Norbert Hofer via Twitter überraschend seinen Rücktritt als Bundesparteivorsitzender bekanntgab. Den Grund für seinen plötzlichen Rückzug benannte Hofer anschließend gegenüber verschiedenen Medien dann auch ungewöhnlich deutlich: „Ich lasse mir nicht jeden Tag ausrichten, daß ich fehl am Platz bin.“ Diese Bemerkung galt seinem innerparteilichen Konkurrenten und Anführer der FPÖ-Parlamentsfraktion, Herbert Kickl, der sich in den vergangenen Wochen in Interviews immer wieder als Spitzenkandidat bei einer allfälligen Neuwahl ins Spiel brachte. 

Eine Regierungsbeteiligung rückt in weite Ferne

Die Personalien Hofer und Kickl stehen innerhalb der FPÖ stellvertretend für unterschiedliche politische Zugänge, insbesondere was die Rolle und Ausrichtung der Freiheitlichen Partei angeht. Während Norbert Hofer einen verbindlichen, staatstragenden Kurs zugunsten der Aufrechterhaltung von Koalitions- und Regierungfähigkeit verfolgte, geht Herbert Kickl seit Beginn der Corona-Krise im Parlament den Weg der kantigen Fundamentalopposition. 

Nach Hofers Rückzug designierte ein für vergangenen Montag einberufenes Bundesparteipräsidium Herbert Kickl zum neuen Bundesparteivorsitzenden und berief für den 19. Juni einen Bundesparteitag ein, um dort die Wahl bestätigen zu lassen. 

Öffentliche Unterstützung erhielt Kickl vorab von den Landesverbänden aus Tirol, Salzburg und dem Burgenland, während sich die anderen Landesgruppen eher zurückhaltend äußerten. Nach stundenlangen Diskussionen erfolgte die Beschlußfassung am Montag dann zwar einstimmig, jedoch in Abwesenheit des Vorarlberger Landesparteichefs Christof Bitschi sowie des oberösterreichischen Landesparteichefs und stellvertretenden Landeshauptmanns Manfred Haimbuchner, die die Sitzung aufgrund terminlicher Verpflichtungen früher verlassen mußten. 

Haimbuchner gilt als Verfechter eines „Rechtskurses mit Anstand und Vernunft“, wie er selbst betont und ist damit in Inhalt und Form deutlich näher bei Norbert Hofer als bei Herbert Kickl anzusiedeln. Haimbuchner hat überdies im Herbst eine Landtagswahl zu schlagen, bei der er sein eigenes Rekordergebnis des Jahres 2015 von 30,4 Prozent sowie die letzte verbliebene freiheitliche Regierungsbeteiligung verteidigen muß. 

Folglich ist er bemüht, auch die moderatere und volatilere Wählerschaft der bürgerlichen Mitte bei der Stange zu halten. Der Ausgang der Landtagswahl wird innerparteilich auch als Abstimmung über den richtigen Kurs der Partei angesehen. Sollte Haimbuchners Ergebnis deutlich über 20 Prozent und damit über den Umfragewerten der Bundespartei liegen, könnte das die Diskussionen erneut anfachen.

Daß Kickl trotz seiner starken polarisierenden Haltung bei Funktionären und Wählerschaft auf dem Weg zum Bundesparteivorsitz leichtes Spiel hatte, liegt auch daran, daß sich aus der Runde der ihm gegenüber eher kritisch eingestellten Länderchefs niemand bereit erklärte, in ein allfälliges Wettrennen um den Chefsessel einzusteigen. 

Neben dem oberösterreichischen Landesparteichef werden immer wieder der Vorsitzende der FPÖ-Steiermark, Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek, sowie der Wiener Landesparteichef Dominik Nepp genannt, wenn es um die künftige Übernahme von Führungsaufgaben in der Partei geht. Alle Genannten winkten jedoch schon Tage vor der entscheidenden Sitzung am Montag ab, da sie sich auch künftig vorrangig den Aufgaben in ihren jeweiligen Bundesländern widmen wollen. Die Wahl Herbert Kickls zum designierten Parteichef erfolgte somit auch ein stückweit aufgrund eines Mangels an Alternativen. 

Auf der Pressekonferenz im Anschluß an das Bundesparteipräsidium war Kickl sichtlich um versöhnliche Töne bemüht. Innerparteilichen Kritikern versprach er indirekt Freiheiten, die er jedoch auch für sich selbst reklamierte. Überdies betonte der designierte Bundesparteiobmann, daß er innerhalb des Parlaments gute Kontakte zu und eine gemeinsame Gesprächsbasis mit den anderen Fraktionen pflege. Letztere übten nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses jedoch deutliche Kritik an der Wahl. Auch hatten Parteienvertreter aller anderen Parlamentsfraktionen zuvor schon eine etwaige Regierungszusammenarbeit mit einer von Kickl geführten FPÖ ausgeschlossen.