© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Anhaltende Diskussion um höhere „CO2-Bepreisung“ in Deutschland
Lassen wir’s einfach
Reiner Osbild

Friedrich August von Hayek nannte es „Anmaßung von Wissen“. Der Nobelpreisträger meinte Politingenieure, die am Reißbrett die Welt von morgen entwerfen. Doch keiner könne die Zukunft sicher vorhersehen; anmaßend sei daher ihr Handeln. Dennoch soll die Durchschnittstemperatur der Erde über einen einzigen Parameter, die kumulierten Treibhausgase, über Jahrzehnte gesteuert werden. Noch skurriler ist, eine CO2-Steuer zu erheben und damit Energieverbrauch, Emissionen und Erwärmung präzise lenken zu wollen.

Dabei ist die Grundidee einer Umweltsteuer sehr einfach: Firmen und Privatpersonen produzieren oder konsumieren etwas, was Dritte schädigt. Wird dieser Schaden besteuert, so reduziert der Verursacher sein umweltbelastendes Verhalten. Dies setzt jedoch voraus, daß der Geldwert der Schädigung hinreichend genau bestimmbar ist und daß eine nationale Lösung möglich ist, die Schädigungen also nicht grenzüberschreitend sind. Doch die besten Klimamodelle geben nicht her, wann und für wen Einbußen in welcher Höhe anfallen. Daher gleicht die CO2-Bepreisung dem Hornberger Schießen: Das schwarz-rote Brennstoffemissionshandelsgesetz sieht eine Erhöhung von 25 auf bis zu 65 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2026 vor.

Der Ökonom Jens Südekum vom SPD-Wirtschaftsforum will „schnell in Richtung 100 bis 150 Euro“, das Umweltbundesamt ruft 180 Euro auf; der Verband kommunaler Unternehmen warnt vor 300 Euro in wenigen Jahren. Der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron sieht sogar „anfallende Folgekosten in Höhe von 640 Euro“ – das hieße dann 3,10 Euro pro Liter Diesel an der Tankstelle. International das gleiche Bild: 15 Länder in Europa erheben eine Art CO2-Steuer. Die Spannweite reicht von unter einem Euro in Polen über den Medianwert von 20 Euro in Irland bis hin zu schwedischen 114 Euro je Tonne – dort kostet der Liter Diesel 1,60 Euro. Da aber jede Tonne CO2 gleichermaßen die Atmosphäre „schädigt“, wäre ein einheitlicher Weltmarktpreis nötig. Das ist mit einer Steuer unmöglich; besser wäre ein Weltemissionshandel mit einer vorgegebenen maximalen CO2-Menge; die Emissionsrechte gelangen über den Preismechanismus in die Hand derer, die dafür bereit sind zu zahlen. Die unterschiedlichen CO2-Steuern werden hingegen zu Produktionsverlagerungen führen.

Die Grünen versprechen, einen Teil der Einnahmen als „Energiegeld“ pro Kopf zurückzugeben – doch reicht das für den Pendler mit Ölheizung? Und wenn es reicht, wird er den „Klimabonus“ als Steak verfrühstücken. Der Einkommenseffekt der Rückerstattung wird somit die CO2-Bilanz verschlechtern. Geht die Nachfrage nach fossilen Energien tatsächlich zurück, werden diese billiger – China & Co. können mehr Öl und Gas kaufen. Saudi-Arabien und andere Förderländer würden alles verramschen, bevor ihre Bodenschätze in der „klimaneutralen“ Welt wertlos würden. So wie die genaue Vorhersage der mittleren Erdtemperatur eine riskante Modellaussage ist, genauso ist die Idee, die „richtige“ Höhe des CO2-Preises zu kennen, eine „Anmaßung von Wissen“.

Entweder zu hoch oder zu niedrig: beides ist schlecht. Daher: Lassen wir’s einfach! Bereiten wir uns auf eventuelle Klimaschäden vor durch den Bau von Deichen, Bewässerungssystemen, Krankenhäusern – da haben alle mehr davon, ob die Katastrophe nun eintritt oder nicht.






Prof. Dr. Reiner Osbild ist Ökonom und Ordinarius an der Hochschule Emden/Leer.