© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

In Existenznöten
Regionalflughäfen: Rote Zahlen und grünes Image
Paul Leonhard

Wer wird noch fliegen dürfen und von wo nach wo? Geht es nach den schwarz-grün-roten Ökoparteien, dann sollen Kurzstreckenflüge durch Züge ersetzt und Fernflüge so teuer werden, daß sich diese nur noch FDP-Großspender leisten können. Schließlich habe die Corona-Krise gezeigt, daß es auch ohne Flugreisen geht: Die Passagierzahl in Deutschland ist 2020 von 227,4 auf 58,1 Millionen zurückgegangen. Für Markus Söder kein Problem. Der CSU-Chef fliegt selbstverständlich per Privatjet von Bayern nach Berlin, wenn es in der Machtzentrale Wichtiges zu klären gibt.

Die in den Leitmedien geschürte Klimapanik wirkt – auch wenn der Deutsche Wetterdienst (DWD) den April zum kältesten Frühlingsmonat seit 40 Jahren erklärte: Nach einer Forsa-Umfrage wollen zwar zwei Drittel der Befragten nicht auf Fleisch verzichten, 58 Prozent wären aber bereit, auf Inlandsflüge zu verzichten. Eine andere Umfrage des Bonner Klimavereins Germanwatch sieht aber noch Hoffnung für die 800.000 Arbeitsplätze im deutschen Luftverkehr: Nur 42 Prozent seien wirklich bereit, Flüge durch eine Bahnfahrt zu ersetzen – und auch das nur, wenn der Preis stimmt.

Angriff auf die lästige Konkurrenz in der Provinz

Frankfurt und das nicht mit Nachtflugverboten drangsalierte Frachtdrehkreuz Leipzig-Halle würden auch eine grüne Kanzlerin überleben. Düsseldorf hat einen ICE-Anschluß – der Franz-Josef-Strauß-Flughafen, der eine S-Bahn-Stunde Fahrzeit vom Münchner Hauptbahnhof entfernt liegt, wäre aber ohne die Zubringerflüge aus Bremen, Hamburg, Hannover, Köln oder Berlin kein rentabler Lufthansa-Knoten mehr. Das erfreut Delta Air Lines, die dann mehr Transatlantik-Passagiere via Paris und Amsterdam an ihre Endziele bringen ließe.

Den 4,5 Milliarden Euro Schulden drückenden Hauptstadtflughafen BER wird kein Kanzler in die Insolvenz schicken – eine EU-Hauptstadt ohne Airport ist undenkbar. Aber was wird aus 21 Regionalflughäfen, die auch für die Bundeswehr oder Notlandungen vorgehalten werden? Die meisten deutschen Flughäfen entstanden in der fliegerischen Pionierzeit. Den Bodensee-Airport Friedrichshafen gibt es seit 1913. Frankfurt-Hahn auf dem Hunsrück verzeichnete vor Corona jährlich 2,5 Millionen Passagiere. Von 1952 bis 1993 war er Stützpunkt der US-Air Force. Als Standort der irischen Billiglinie Ryanair und mit Millionen-Beihilfen machte er dem Rhein-Main-Airport Frankfurt (2019: 70,6 Millionen Passagiere) und damit dem Platzhirsch Konkurrenz. Mehrere Mittelmeer-Ziele für wuden damit jedermann erschwinglich.

Auch aus Karlsruhe/Baden-Baden, Memmingen, Paderborn/Lippstadt oder Weeze am Niederrhein wurden bislang internationale Ziele angesteuert – aber bei einem Kurzstreckenflugverbot wären diese Flughäfen am Ende und Tausende Arbeitsplätze hinüber. Offiziell gibt es nur 16 internationale Flughäfen in Deutschland – daran ablesbar, ob die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) zuständig ist oder nicht. Die kleineren Flughäfen gelten als „Provinzpisten“. Gemeinsam ist allen, daß sie ohne direkte oder indirekte Subventionen nicht überlebensfähig sind.

Für die Bundesländer sind Regionalflughäfen Teil der Wirtschaftsförderung – ohne sie oder einen Autobahnanschluß ist Standortwerbung aussichtslos. Daher wurde der einstige Verkehrslandeplatz im nordhessischen Calden mit 281 Millionen Euro zum Flughafen Kassel ausgebaut. Geflogen wurde in der struktuschwachen Gegendwenig, aber der Regionalflughafen biete „jenseits von Urlaubsreisen vor allen Dingen Arbeitsplätze, Infrastruktur und Perspektiven für diese prosperierende Region“, erklärte Martin Worms, parteiloser Finanzstaatssekretär in Wiesbaden und seit Juni 2020 Chef des Flughafen-Aufsichtsrats, im Deutschlandfunk.

Ryanair hatte bis zur Corona-Krise vorgemacht, wie man trotz günstiger Tickets mit geringen Wartungskosten, hoher Auslastung, enger Bestuhlung, einem Minimum an Service und schlechter Mitarbeiterbezahlung große Gewinne erwirtschaften kann. Auch im Geschäftsmodell der ungarischen Wizz Air, der türkischen Sun Express oder russischen Pobeda sind die günstigen Start- und Landegebühren eingepreist. Ohne sie scheint das Modell Regionalflughafen meist nicht aufzugehen.

Chancen haben dann nur noch örtliche Lufthäfen in jenen Regionen, die weit von internationalen Airports entfernt sind, glaubt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Dem hält Ludger van Bebber, derzeit für den „Dortmund Airport 21“ (2019: 2,7 Millionen Passagiere) verantwortlich, die Infrastruktur-Effekte entgegen: Wir „haben rund 6.500 Jobs, die deutschlandweit von der Plattform hier abhängen. Allein 3.600 in der Region, 500 Millionen Bruttowertschöpfung alleine durch diese Erwerbstätigen“, so der frühere Chef von Weeze. Hinzu kämen Einkommenseffekte von 220 Millionen Euro und „mehr als 60 Millionen an harten Steuern“, ein „Vielfaches der Werte, die hier und da an Unterstützung notwendig“ seien.

Coronabedingt ist auch der Flughafen Friedrichshafen in die Bredouille gekommen. Im Februar mußte sich die Betreibergesellschaft in ein Schutzschirmverfahren begeben, inzwischen liegt ein Sanierungsplan vor, mit dem der Bodensee-Airport „mittelfristig stabil“ aufgestellt werden soll. Der Finanzbedarf wird für die nächsten fünf Jahre auf 43,5 Millionen Euro geschätzt. Ab 2024 soll das operative Geschäft schwarze Zahlen schreiben, aber auch dann sind jährlich „Investitionszuschüsse“ von bis zu drei Millionen Euro erforderlich. Doch Mittelständler und der Fremdenverkehr können auf den Regionalflughafen kaum verzichten.

Infrastruktursicherung ist weltweit eine staatliche Aufgabe

Die Pandemiezeit habe zudem gezeigt, daß ein Netz an regionalen Flughäfen wichtig sein kann, wenn große Transporte nicht möglich sind. Immerhin finden zwei Drittel des Luftverkehrs außerhalb des großen Linienverkehrs statt, gibt Klaus-Jürgen Schwahn, Vizepräsident der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze (IDRF), zu bedenken. Und wie bei der Bahn und dem ÖPNV sei auch bei den Flughäfen die Infrastruktursicherung eine staatliche Aufgabe. Auch Joe Bidens Zwei-Billionen-Dollar-Infrastrukturplan sieht 25 Milliarden für die zivilen US-Airports vor.

Rostock-Laage – einst Stützpunkt von NVA-Jagdbombern des Typs Suchoi Su-22 – orientiert sich hingegen am Zeitgeist: Der Ostseeflughafen soll mittels solarthermischer Anlagen, einem elektrifizierten Fuhrpark und Wildwiesen ein klimaneutraler „Green Airport“ werden. Denn das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat 14 Regionalflughäfen untersucht und ihnen für 2019 eine „Klimalast“ von 4,2 Millionen Tonnen CO2 zugeordnet. Sie seien „überflüssig“ und deren „Klimakosten“ sollten auf die Emissionen der Städte und Regionen angerechnet werden.

Die Großflughäfen und die Lufthansa würden das wohl begrüßen, denn so würden sie die lästige Konkurrenz mit „grünen“ Argumenten los. Ein Hoffnungsanker könnte aber die EU sein. Brüssel sieht in den Regionalflughäfen die Möglichkeit, der Überlastung des Luftraums an den großen Drehkreuzen entgegenzuwirken, Zugangspunkte zum innereuropäischen Flugverkehr zu schaffen und die regionale Entwicklung zu begünstigen. Airports, die zumindest eine dieser Voraussetzungen erfüllen, gelten seit 2014 für maximal zehn Jahre als förderungswürdig. Sprich: Straßburg, Stettin, Breslau oder Budweis warten schon.

Flughafenverband ADV:  www.adv.aero

Luftverkehrsverband BDL:  www.bdl.aero