© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Völker von der Wiege bis zur Bahre überwachen
Schöne neue Welt auf chinesisch
(ob)

Im Windschatten der Corona-Pandemie hat die kommunistische Führung Chinas im April 2020 in vier Städten, darunter die Technologiezentren Shenzen und Suzhou, ein auf der Blockchain-Technologie beruhendes Buchführungssystem etabliert. Die Löhne der bei den teilnehmenden Banken registrierten Arbeiter und Angestellten werden seitdem in digitaler Währung ausgezahlt. Wie der in Shanghai lebende Geograph und Politologe David Lehmann und der Publizist Yannic Weber (Heidelberg) meinen, ist mit dieser kaum beachteten Einrichtung einer „digitalen Brieftasche“ das Potential der verwendeten Technologien aber längst nicht erschöpft (Tumult, 2/2021). Es gehe vielmehr weit über die Entwicklung einer nationalen digitalen Währung hinaus, um die man sich auch in den USA und der EU bemühe. China wolle diese vergleichsweise stümperhaft vorangetriebene Digitalisierung des Westens durch ein „unumgängliches System zur Verwaltung der Welt“ übertrumpfen. Wie von Aldous Huxley („Schöne neue Welt“, 1932) literarisch vorweggenommen, sollen die mittels Blockchain bei jeder ihrer Bewegungen überwachten Bürger „allmählich an ihre Versklavung herangeführt werden und dieser schließlich rückhaltlos zustimmen“, während eine wissenschaftlich perfektionierte Diktatur sie in dem Tagtraum von ihrer persönlichen Freiheit wiege. In der Entwicklung befinde sich ein für den Export ausgelegtes Blockchain-System, das globale Standards dabei setzen werde, „Völker von der Wiege bis zur Bahre zu betreuen“. Internationale Knotenpunkte, von den USA und Japan bis nach Frankreich und Brasilien, habe der Krypto-Exchange-Betreiber Huobi-Group bereits eingerichtet. 


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