© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Blick in die Medien
Die NZZ auf Einkaufstour
Tobias Dahlbrügge

Nicht nur das Handwerk klagt über Mangel an brauchbaren Berufsbewerbern, auch des (objektiven) Schreibens fähige Journalisten wachsen nicht auf Bäumen. Darum bedienen sich Betriebe gern beim Mitbewerber und locken mit attraktiven Wechselangeboten. Derzeit geht die Neue Zürcher Zeitung in deutschen Redaktionen auf Einkaufstour. Erst seit Anfang des Jahres wird die Deutschland-Ausgabe der NZZ vom eigens rekrutierten Berliner Team geleitet. Und das wächst nun rasant: Gleich vier Neuzugänge steigen im Juli und August ins Boot.

Mit den vier Neuen wollen die Schweizer weitere Themenschwerpunkte bieten wie den Klimawandel.

Die bisherige Berliner FAZ-Feuilletonistin Hannah Bethke verstärkt künftig die politische Hauptstadt-Redaktion der Neuen Zürcher. Die Juristin Fatina Keilani war beim Berliner Tagesspiegel für das Themenfeld Gesetzgebung und Rechtsprechung zuständig. Kalina Oroschakoff hat bei der europäischen Ausgabe von Politico, dem Joint Venture von Springer mit der Washington Post, mit aktivistischem Einschlag über „Klimapolitik“ berichtet. Vierter Neuer ist Oliver Maksan, der als Chefredakteur der als konservativ geltenden katholischen Tagespost einen Abo-Boom bescherte. Dementsprechend enttäuscht sind seine baldigen Ex-Kollegen von seinem Weggang. Das Netzwerk kath.ch ätzt ihm hinterher, daß die NZZ „in Deutschland vor allem unter AfD-Anhängern Zuspruch“ fände.

NZZ-Deutschlandchef Marc Felix Serrao kann das egal sein, er freut sich über die erfolgreiche Truppenaushebung. Mit der Verstärkung will er den „Lesern nicht nur eine noch umfangreichere Berichterstattung, sondern auch neue Themenschwerpunkte bieten“. Dazu gehöre „zum Beispiel der Klimawandel“, schreibt er auf Twitter. „In den Diskussionen über dieses zentrale Thema des 21. Jahrhunderts fehlt es (…) an einer liberalen, marktwirtschaftlichen Stimme, vor allem in Deutschland.“ Das klingt vielversprechend, denn in der Tat fehlt es an Stimmen gegen die Strangulierung von Industrie und Mittelstand im Zeichen der Klimasekte. Ob das allerdings mit Personal wie Oroschakoff funktioniert, die ausweislich ihrer Twitter-Äußerungen ganz auf dem Dekarbonisierungs-Trip ist?