© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Soldaten- und Volkslieder unerwünscht
Willkürliches Vorgehen mit Geschmäckle: Youtube löscht gezielt deutsches Kulturgut
Alexander Graf

Das Vorgehen von Youtube gegen vermeintliche „Haßrede“ läßt manche Nutzer ratlos zurück. Dazu gehört auch „Dr. Ludwig“, der unter diesem Pseudonym einen Kanal (175.000 Abonnenten) mit Hunderten Musikvideos zu historischen Liedern aus allen Epochen und Stilrichtungen betreibt. Doch seitdem Youtube 2019 seine Richtlinien änderte, verschwänden immer wieder Videos, wie er der JUNGEN FREIHEIT erzählt – zeitweise sei sogar sein gesamter Kanal gelöscht worden.

Schaut man sich die Beispiele an, die laut „Dr. Ludwig“ zu Verwarnungen, sogenannten Strikes oder Löschungen führten, fällt auf, daß es sich dabei keinesfalls um verbotene Lieder handelt. Egal ob „Ich hatt’ einen Kameraden“, „Wir sind des Geyers Schwarzer Haufen“, das „Westerwaldlied“ oder „Im Wald, im grünen Walde/Die Lore“, keines davon ist in der Bundesrepublik indiziert. Viele Soldatenlieder gehören sogar zum Liedgut der Bundeswehr. Doch die Löscheinstellungen von Youtube kennen keine Gnade. Oder doch? „Auf manchen Kanälen werden die Lieder gar nicht gestrikt – vor allem bei kleineren –, bei anderen Kanälen führt es teils zu sofortigen Löschungen. Diese Willkür ist ein großes Problem und eine ständige Bedrohung, da jedes Lied eine Zeitbombe sein kann“, berichtet „Dr. Ludwig“. Da helfe auch keine Stellungnahme des Kanal-Betreibers, daß alle Videos unpolitisch seien. Im Verständnis von Youtube verstoßen auch Militärmärsche ohne Text gegen die Regeln zur Haßrede. Als Beispiel nennt „Dr. Ludwig“ den Königgrätzer Marsch.

Auf Nachfrage der JF gibt sich die Google-Tochtergesellschaft schmallippig. „Wir können Ihnen leider keine Auskunft zu einzelnen Videos geben, was das Einhalten oder Nicht-Einhalten von unseren Community Guidelines in Sachen ‘Hate Speech’ angeht.“ Ein zusätzliches Geschmäckle bekommt die merkwürdige Löschpraxis, weil Youtube bei seinem Leitfaden zur „Haßrede“ für weitere Informationen auf Kooperationspartner verlinkt: dort findet sich unter anderem die Amadeu-Antonio-Stiftung.