© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Merkels Dämmerung
Robin Alexander schildert die letzte Legislaturperiode der Kanzlerin
Filip Gaspar

Der stellvertretende Chefredakteur Politik der Welt, Robin Alexander, hat nach seinem Bestseller „Die Getriebenen“ sein neues Buch „Machtverfall“ veröffentlicht. Während ersteres von den sechs Monaten deutscher Politik während der Flüchtlingskrise 2015/2016 erzählte, befaßt sich „Machtverfall“ mit der letzten Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel im permanenten Ausnahmezustand der Corona-Pandemie. Somit mit zwei einschneidendén und folgenreichen Geschehnissen, nicht bloß für die deutsche, sondern für die weltweite Politik. 

Alexander plaudert detailliert aus dem Berliner Machtzentrum. Als erzählerische Form wird wie im Vorgängerbuch die Rekonstruktion verwendet. Der Report beginnt mit einem letzten Abendessen unter vier Augen des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama mit der Bundeskanzlerin kurz nach Wahl von Donald Trump 2017. Merkel hatte stets geäußert, daß sie, anders als ihre Vorgänger, „den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden“ und „kein halb totes Wrack sein“ wollen würde. 

Bestärkt durch das Gespräch mit Obama, faßte sie den Entschluß, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, um die liberale Weltordnung zu verteidigen. Vor Donald Trump wohlgemerkt. Nach der Beschreibung dieses historischen Abendessens folgt ein Wechsel zum allgegenwärtigen Corona-Thema, zur Ministerpräsidentenkonferenz, auf der Markus Söder genervt zu Olaf Scholz sagte, daß dieser „gar nicht so schlumpfig herumzugrinsen“ brauche. Um mit Alexanders Worten zu sprechen: Merkels letzte Etappen beginnen im Weißen Haus und enden in Schlumpfhausen. 

Auf diesen Auftakt folgt ein chronologischer Bericht vom Frühjahr 2017 bis ins Frühjahr 2021. Lesenswert macht „Machtverfall“, daß man einen intimeren Einblick in die Corona-Politik der Bundesregierung bekommt, inklusive beginnender politischer Machtkämpfe über Merkels Nachfolge. Angefangen mit dem erfolglosen Versuch von Annegret Kramp-Karrenbauer, Kanzlerkandidatin der CDU zu werden, bis zum Kampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder um diesen Posten. Es werden Portraits der führenden Politiker und ihrer (Fehl-)Entscheidungen gezeichnet. Und auch, daß in allen wichtigen Angelegenheit die Kanzlerin immer das letzte Wort hat. Freundschaften scheint es in der Politik und erst recht für Merkel nicht zu geben. Dafür anscheinend aber Feindschaften, denn einen Minister oder gar Kanzlerkandidaten Merz wird es unter und mit Angela Merkel nicht geben. 

Alexander hat es geschafft, die teils undurchsichtigen Ereignisse und Abläufe spannend anzuordnen und eine Inneneinsicht des gegenwärtigen Politbetriebs zu geben.

Robin Alexander: Machtverfall. Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik. Ein Report. Siedler Verlag, München 2021, gebunden, 384 Seiten, 22 Euro