© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Frisch gepreßt

Jüdische Verbindung. In den meisten Abhandlungen über die Geschichte der Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich tauchen jüdische Studenten meist nur als Opfer im Kontext mit dem in diesem Milieu nicht seltenen Antisemitismus im frühen 20. Jahrhundert auf. Dabei fällt unter den Tisch, daß es gerade auch in Österreich-Ungarn und der späteren Republik Österreich eine lebhafte jüdische Korporationslandschaft gab. Gregor Gatscher-Riedl versucht dieses komplexe Thema in seinem Werk darzustellen. Auf knapp 330 Seiten ist das ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Dabei verwendet der Autor viel Mühe darauf, die einzelnen Bünde und ihre Geschichte zu beschreiben, aber auch die politischen Konflikte in Österreich und den Ländern der Donaumonarchie. Diese wissenschaftliche Nischenarbeit ist zugleich jedoch ein Schwachpunkt des Buches, da es sich so oft in reiner Deskription verliert. Gerade für Laien, denen die akademische Subkultur fremd ist, wären mehr Erläuterungen und Kontext hilfreich. Für kundige Leser bietet das Buch jedoch neben viel Detailwissen und zahlreichen Abbildungen auch eine Sammlung von Kurzbiographien prominenter jüdischer Korporierter. (ag)

Gregor Gatscher-Riedl: Von Habsburg bis Herzl. Jüdische Studentenkultur in Mitteleuropa 1848–1948. Kral-Verlag, Berndorf 2021, gebunden, 324 Seiten,  29,90 Euro





Gewalt auf dem Balkan. Bereits während des griechischen Unabhängigkeitskriegs von 1821 stechen zwei Phänomene hervor: erstens die Brutalität seiner Kämpfe und zweitens die einseitigen Täter-Opfer-Zuschreibungen, die sich damals in Europa mit dem Philhellenismus begründeten und besonders die Osmanen als grausame Unterdrücker brandmarkten. Der von den Historikern Meinolf Arens und Martina Bitunjac herausgegebene Sammelband über die Gewaltgeschichte auf dem Balkan der vergangenen zwei Jahrhunderte untersucht schwerpunktmäßig jedoch die Kulmination der Massengewalt in Jugoslawien und Rumänien unter den Bedingungen des Zweiten Weltkriegs. Dabei stehen die Verbrechen der Ustascha in Kroatien und der Holocaust an den rumänischen Juden unter Antonescu im Fokus. Daß Bitunjac allerdings die in Kroatien erst nach 1991 breiter thematisierten Nachkriegsverbechen der Tito-Partisanen (Stichwort Bleiburg) als „rückwärtsgewandte“ Relativierungsversuche rechter Revisionisten denunziert, die damit nur faschistische Verbrechen relativieren wollten, wirft ein gewisses Schlaglicht auf ihre Darstellung. Wenn sie dazu noch von „kommunistischer Vergeltung an der Pavelić-Armee“ spricht und vor „Viktimisierung“ der Opfer warnt, bleibt die Autorin zumindest der Balkan-Tradition einseitiger Täter-Klassifizierung treu. (bä)

Meinolf Arens, Martina Bitunjac (Hrsg.): Massengewalt in Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2021, broschiert, 255 Seiten, 59,90 Euro