© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Umwelt
Wandern ohne viel Kontakt
Volker Kempf

Mehr als 99 Prozent der Corona-Ansteckungen finden nicht in der freien Natur statt. „Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, daß drinnen die Gefahr lauert“, mahnt die Kölner Gesellschaft für Aerosolforschung in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Allenfalls könnten in Menschenansammlungen Tröpfcheninfektionen auftreten, wenn Mindestabstände ignoriert oder Masken verweigert würden. Dennoch ging die Zahl der organisierten Gruppenwanderungen beim Schwarzwaldverein voriges Jahr von 9.100 auf 3.800 zurück. Die Teilnehmerzahl sank von 145.000 auf 53.000 (Der Schwarzwald 2/21). Gleichzeitig wurde auf den Wegen aber ein reger Wanderbetrieb beobachtet – in Corona-Zeiten wurde kaum weniger, sondern nur individualisierter gewandert. Wandern ist ein geselliges Ereignis. Natur wird gemeinsam erlebt. Das Vespern an der frischen Luft mit Alpenblick – da schmeckt ein Käsebrot anders als alleine am Eßtisch.

Statt in der Wohnung aufs Tablet zu gucken, kann so gemeinsam die reale Welt erlaufen werden.

Und wie geht es weiter? Aus dem Tag des Wanderns am 14. Mai wurde nichts. Als Ersatztermin hat der Deutsche Wanderverband den 17. September benannt. Das Vereinsleben lebt inzwischen vom Prinzip Hoffnung. Geplant sind auch Familienwanderungen. Statt in der Wohnung aufs Tablet zu gucken, kann da die Welt erlaufen und ein Schattenkompaß errichtet werden. Wanderungen mit der Gender-Fahne sind fernab der Metropolen noch kein Thema. Unter dem Corona-Regime ist auch Wandern nicht mehr das, was es einmal war. Aber Pest und Lepra waren schlimmer, auch darüber wird aus dem malerischen Schwarzwald berichtet. Thomas Binder, Fremdenführer in Freiburg, schildert das anschaulich in seinem Buch „Kämpfen, Leiden, Lieben – Leben im Schwarzwald von den Kelten bis ins 20. Jahrhundert“ (Südverlag 2020). Auch die geistige Nahrung will bedacht sein. Denn man wandert immer auch durch geschichtsträchtige Orte hindurch oder blickt über sie vom Berggipfel erhaben hinweg.


 www.schwarzwaldverein.de