© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/21 / 11. Juni 2021

Ein Gespräch mit dem Verlagsgründer und Chefredakteur Dieter Stein
„Von einem guten Freund erwarte ich harte Kritik“
Moritz Schwarz

Dieter, „35 Jahre JUNGE FREIHEIT“ – Mission erfüllt?

Dazu müßten wir darüber reden, was unsere Mission ist.

„Gleichberechtigte Teilhabe der Konservativen in Politik, Medien und Kultur“, so steht es in unserem Leitbild (siehe Seite 14).

Wohlgemerkt unter dem Stichwort „Vision“, also als anzustrebendes Fernziel. Natürlich sind wir sehr weit davon entfernt, das erreicht zu haben. Dennoch hat es die JF geschafft, Konservativen eine vernehmbarere Stimme zu geben, Öffentlichkeit für Autoren herzustellen, die sonst nicht gehört werden und auch gelegentlich politische Korrekturen auszulösen.

Zum Beispiel?

Nach dem Mord an einer 19jährigen Freiburgerin durch einen „minderjährigen unbegleiteten“ Asylbewerber in Freiburg 2016 machten wir auf den Mißstand aufmerksam, daß es den Ermittlungsbehörden aufgrund der Gesetzeslage untersagt war, am Tatort gefundene DNS-Proben nach Größe, Haaren, Augenfarbe und insbesondere Ethnie auszuwerten. Die Fahndung nach dem Mörder verzögert sich dadurch enorm. Unsere Recherche griffen andere Medien auf. Inzwischen wurde die Gesetzeslage angepaßt, die Möglichkeiten für die Polizei erweitert.

Ist das alles?

Keineswegs. 2018 berichteten wir als erste Zeitung über den Skandal, daß zum damaligen Zeitpunkt rund ein Drittel der Asylbewerber aus EU-Staaten und der Türkei mit dem Flugzeug nach Deutschland kamen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weigerte sich zunächst, diese Zahlen zu bestätigen. Von uns ausgelöste Anfragen im Bundestag führten dann dazu, daß dieser Mißstand von den Behörden eingeräumt werden mußte.

Das sind nicht gerade weltbewegende Erfolge.

Das stimmt zwar, dennoch sind das Skandale, die ohne uns zumindest vorerst, vielleicht auch nie öffentlich geworden wären. Als Zeitung, die nicht zu den etablierten Medien zählt, mit einer Nachricht durchzudringen, ist nicht einfach. Wir sind in diesem Kampf gegen die Schweigespirale manchmal wie eine Guerillagruppe. Oder wie ein kleiner Stachel im Fleisch, der sehr unangenehm werden kann.

Dennoch kann von einer „gleichberechtigten Teilhabe“ noch lange nicht die Rede sein.

Wir können nicht zaubern. Es ist ein zäher Prozeß. Wobei ich meine, daß schon allein die Tatsache, daß es in 35 Jahren nicht gelungen ist, die JF auszuschalten – was wirklich vielfach versucht worden ist – eigentlich ein Wunder ist. Schau dich doch mal um: Kaum eine der unabhängigen konservativen oder rechten Publikationen aus der Anfangszeit der JF existiert heute noch. Viele sind gescheitert, einerseits durchaus auch an hausgemachten Fehlern, nicht zuletzt aber an einem repressiven Druck, der, wird er in Ungarn oder Rußland angewendet, hierzulande als Beweis gilt, daß dort die Presse- und Meinungsfreiheit unterdrückt wird. Verleumdung durch tendenziöse Falschberichterstattung, heute „Fake News“ genannt, in den Medien, oder wie in unserem Fall ein vom Bundesverfassungsgericht festgestellter verfassungswidriger Einsatz des Verfassungsschutzes, gewalttätiger Antifa-Terror gegen Druckerei, Zeitungshändler, Mitarbeiter, Autoren, Interviewpartner sowie Ausgrenzung, Boykott etc.

Es gibt aber doch auch andere erfolgreiche konservative beziehungsweise rechte Medien.

Das ist richtig und übrigens ein Zeichen für eine gewisse Trendwende. Die JF hatte für viele andere Medienprojekte auch eine Vorreiterrolle. Dank des Internets ist es einfacher geworden, neue Medienprojekte zu gründen. Wenn auch hier in jüngster Zeit auf großen Plattformen neue Formen nichtstaatlicher Zensur auf dem Vormarsch sind. Insgesamt aber hat sich die politische Stimmung in den vergangenen zehn Jahren deutlich verändert. 

Was war die entscheidende Zäsur?

Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ im Jahr 2010. Da scheiterte erstmals grundlegend der Versuch, eine mißliebige Person mundtot zu machen. Es folgte die fatale Euro-Rettung, die in die Gründung der AfD mündete. Seitdem sind die Dinge ins Rutschen geraten. Ich will die schweren Anfeindungen und Probleme, die viele unabhängige alternative Medien heute erfahren, nicht herunterspielen, aber im Vergleich zu dem, was wir vor der breiten Etablierung des Internets durchstehen mußten, ist es heute doch einfacher.

Wie war das 1986, als die JF gegründet wurde?

Damals konnte man nicht rasch eben mal einen Blog ins Netz stellen, twittern oder über eine Facebook-Seite Nachrichten verbreiten. Zeitungen und Zeitschriften mußten im Prinzip aufwendig und teuer gedruckt und per Post oder Kioskvertriebssystem in Umlauf gebracht werden, um nennenswert Leser zu erreichen und Wirkung zu entfalten. Deshalb gab es damals auch nur eine Handvoll kleiner, relevanter konservativer oder rechtsintellektueller Zeitschriften.

Warum entstand die JF überhaupt?

Ich selbst habe mich schon als Schüler für das Zeitungmachen interessiert. Erst eine Klassenzeitung, dann die Schülerzeitung an unserer Schule gegründet und herausgebracht. Parallel war ich erst in der Jungen Union politisch aktiv und trat 1984 den von zwei aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten ein Jahr zuvor gegründeten Republikanern bei. Von diesen wiederum spaltete sich eine gemäßigte Gruppe unter dem Namen „Freiheitliche Volkspartei“ ab. Deren geplanter Jugendorganisation „Freiheitliche Jugend“ sollte die JF als Organ dienen. Daher der Name!

Bereits 1987 war für dich aber mit Parteipolitik schluß. Warum erschien die JF weiter?

Ein Schlüsselerlebnis war für mich, auf welche Mauer der Ignoranz neugegründete konservative, rechte Parteien treffen und wie gering ein eigener medialer Resonanzraum war. Damals wurde mir bewußt, daß konservative Politik und politische Veränderung ohne eigene und unabhängige Medien nicht möglich sein würden. Daher haben wir einfach weitergemacht – wenn anfangs auch mit sehr bescheidenen Mitteln.

Im Herbst steht Deutschland möglicherweise ein grün-rot-roter Wahlsieg und eine grüne Kanzlerin bevor. Könnte das die größte politische Herausforderung werden, mit der die JF in 35 Jahren konfrontiert wäre?

Das ist nicht die größte Herausforderung. Subkulturell und metapolitisch beherrschen die Grünen und ihr Vorfeld schon viel länger die Szene. In Redaktionsstuben etablierter Medien, in Leitungsgremien von Kirchen, Gewerkschaften, gesellschaftlich relevanter Gruppen bis hin zu Dax-Vorständen weht doch ein monotoner grün-linker Zeitgeist! Die jüngste politische Liebeserklärung von Ex-Siemens-Chef Josef „Joe“ Kaeser an Annalena Baerbock, die ihn an Angela Merkel erinnere, ist dafür ein prächtiges Beispiel.

Stehen wir nicht sogar längst vor einem Marsch in eine andere Republik?

Wir befinden uns tatsächlich mitten in einer Transformation, die äußerst gefährlich ist! Wenn wir sehen, mit welcher Militanz und durch staatliche „Demokratieförderung“ abgestützt der Kampf gegen jede tatsächliche oder vermeintliche konservative, rechte Opposition geführt wird! Derzeit haben wir, wenn auch fatalerweise bereits im Rückzug befindlich, noch etliche Personen und Strukturen in Verwaltung, Beamtenapparat, Jurisdiktion etc., die noch dem Demokratiebegriff des Grundgesetzes anhängen, also Meinungsfreiheit und Chancengleichheit für alle politischen Richtungen verteidigen. Sollten jedoch dauerhaft Politiker die Entscheidungen über Personal und Beförderungen treffen, die der Meinung sind, Demokratie habe nichts mit Pluralismus und gleichen Chancen für alle zu tun, sondern mit „Antifaschismus“; und Rechtsstaat habe nichts mit unabhängigen und unvoreingenommenen Gerichten, sondern ideologisch mit einseitigem „Kampf gegen Rechts“ zu tun, dann nähern wir uns totalitären Verhältnissen. Die Grundrechtseinschränkungen im Zuge der Corona-Bekämpfung haben einige Politiker erkennbar auf den Geschmack gebracht.

Konkret?

Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber was passiert, wenn in den Gerichten irgendwann vor allem Gesinnungsrichter sitzen? Wir haben gerade ein Urteil in Sachen Klimaschutz erlebt, bei dem das Bundesverfassungsgericht geltend macht, es müsse mehr für den Klimaschutz getan werden, weil dies sonst die Freiheit künftiger Generationen einschränke. Die Frage ist, was und wer angeblich noch alles künftig angeblich eine Gefahr für deren Freiheit darstellen könnte. Oder nehmen wir den Umstand, daß politische Opposition gegen Massenzuwanderung, multikulturelle Verwerfungen, gegen angeblichen „Antirassismus“ oder die Gender-Politik gesellschaftlich längst schon als Haß, Hetze und Menschenfeindlichkeit gilt, also angeblich im Widerspruch zu Artikel 1 des Grundgesetzes steht, was natürlich völlig absurd ist. Was aber, wenn künftig auch die Gerichte dieser Argumentation folgen?

Was hält unseren freiheitlichen Rechtsstaat dann zusammen?

Der ehemalige Staatsrechtler und Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat gesagt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Völlig richtig. Das bedeutet aber auch, daß wenn Freiheitlichkeit und Pluralismus aus einer Gesellschaft verschwinden, der Rechtsstaat allein auch nichts mehr ausrichten kann. Es ist deshalb höchste Zeit, der ins Totalitäre kippenden rot-grünen Ideologie entgegenzutreten und die Umwandlung der demokratischen Republik in einen Maßnahmenstaat zu stoppen.

Wie sieht dieser totalitäre Charakter denn aus?“

Es geht schon jetzt darum, politisch unliebsame Menschen möglichst umfassend sozial zu isolieren, also von Arbeit und Einkommen, sozialem Umfeld, gesellschaftlicher Teilhabe, Freundeskreis und Familie etc. abzutrennen – was nur wenige Leute durchhalten, und so jede effektive Opposition sozial lahmzulegen. Sozial vor allem auch deshalb, weil es politisch nicht möglich ist, ohne offen das Grundgesetz zu brechen. Also wird man die Grundrechte nicht aufheben, sondern unterlaufen: Natürlich könnt ihr frei eure Meinung sagen, aber wir sorgen dafür, daß keiner wagt, euch zuzuhören. Natürlich könnt ihr einen Verein oder eine Partei gründen, aber wir sorgen dafür, daß, wer euch beitritt, kein soziales Leben mehr hat etc. Und natürlich wird niemand direkt gezwungen, sich daran zu beteiligen, aber Arbeitgeber, Vereinskameraden, Nachbarn, Freunde, ja Familienmitglieder werden „freiwillig“ mitmachen, entweder weil sie bereits zuvor aufgewiegelt wurden, oder weil sie fürchten müssen, sonst ebenfalls der Zersetzung anheimzufallen.

Das klingt düster. Um mit Kurt Tucholsky zu fragen: „Und wo bleibt das Positive?“

Diese Entwicklung ist nicht zwingend. Die Chance ist da, daß die bürgerliche Opposition weiter wächst. Hätte jemand Anfang 2010, vor der Sarrazin-Debatte, vorausgesagt, was sich im folgenden Jahrzehnt in politischer Hinsicht alles tun würde – nachdem sich da zuvor jahrzehntelang so gut wie gar nichts getan hat –, hätte man ihn doch zum Phantasten erklärt.

Nach 35 Jahren ist die JF nach der Zeit die zweitgrößte deutsche Wochenzeitung. Hättest du dir das damals vorstellen können?

So weit in die Zukunft habe ich nie gedacht. Ich erinnere mich, wie fast unglaublich es uns vorkam, als wir nach einem Jahr die ersten hundert Abonnenten zusammenhatten. Damals haben wir noch jede Ausgabe einzeln von Hand kuvertiert und adressiert. Als wir plötzlich einen Abonnenten in Afrika hatten, stellte ich mir fasziniert vor, wie dessen eben von mir „eingetütetes“ Exemplar nun um den halben Globus reisen würde. Heute haben wir Abonnenten auf allen fünf Kontinenten und der Versand erfolgt rechnergesteuert maschinell in unserer Frankfurter Druckerei – wenn die Zeitung nicht bereits nur noch digital gelesen wird.

Die JF entwickelte sich in kleinen Schritten weiter. Zunächst zweimonatlich im Format DIN A5, dann DIN A4, über Rollenoffset ab 1990 im „Berliner Format“, schließlich ab 1991 monatlich. Wo gab es einen wichtigen Sprung?

Als sich im Laufe des Jahres 1992 die Idee herauskristallisierte, die JF zur Wochenzeitung zu machen, weil so viel in Bewegung geriet. Die linke taz brachte im Frühjahr 1992 einen ganzseitigen Artikel über uns. Die Überschrift lautete: „Eine taz von rechts?“ Die Schlagzeile traf für uns ins Schwarze! Wir waren damals noch ein studentisches Mini-Hobbyprojekt. Aber die taz, die auch wichtiger Teil des Aufstiegs der Grünen war, gab ein Beispiel an journalistischer und unternehmerischer Eigeninitiative. Es ging uns schließlich ebenfalls um die mediale Prägung eines vorpolitischen Raumes mit dem Ziel auch der Veränderung der parteipolitisch-parlamentarischen Landschaft.

Wäre die JF in diesen 35 Jahren auch einmal fast gescheitert?

An Krisen hat es uns lange nicht gefehlt! Wir wurden in unterschiedlicher Weise hart bekämpft – teilweise bis heute. Das Schicksalsjahr aber war in mehrfacher Hinsicht 1994: Wir waren 1993 mit der Redaktion von Freiburg im Breisgau nach Berlin bzw. vorübergehend Potsdam umgezogen, um aus der damaligen Monats- eine Wochenzeitung zu machen. Das war schon ein gewisser Paukenschlag für die Medienlandschaft: Eine studentische Eigeninitiative gründet einfach so mal eben eine Wochenzeitung! Ohne Großverlag im Rücken! Und zieht dazu dann auch noch in das von einer linksradikal-alternativen Szene geprägte Berlin. Hallo!? Da kam natürlich Gegenwind. Sprich, es war das Jahr mit den massivsten gewalttätigen Angriffen, mit den schärfsten internen Auseinandersetzungen und den größten finanziellen Schwierigkeiten.

Was passierte genau?

Gleich zum Wochenzeitungsstart im Januar 1994 wurden wir von der gewaltbereiten Antifa-Szene attackiert, unsere Pressekonferenz zum Erscheinen der ersten Ausgabe mit Hunderten Chaoten gesprengt. Im Herbst kam es zu zwei gewaltsamen Überfällen auf unsere damalige Druckerei in Weimar. Der zweite im Dezember war ein Brandanschlag, bei dem die Druckhalle ausbrannte und ein Millionenschaden entstand. Zum Anschlag bekannten sich Linksextremisten, der Generalbundesanwalt zog sogar die Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung an sich. Die Täter wurden jedoch nie ermittelt. Die Druckerei jedoch kündigte uns natürlich. Nicht wegen uns, sondern aus nackter Angst vor weiterer Gewalt und einem neuen Anschlag.

Dachtest Du damals ans Aufgeben?

Einen kurzen Moment lang, ja. Was soll man machen, wenn schon die Druckerei brennt? Wer würde uns drucken, wenn der nächste fürchten muß, daß dann sein Betrieb in Flammen aufgeht? Und wer garantiert, daß es dabei nicht auch Tote geben könnte? Zudem hatte gerade mal vier Wochen zuvor eine Großdemonstration stattgefunden mit 1.500 gewaltbereiten Chaoten gegen unseren Redaktionssitz in Potsdam, inklusive Straßenschlachten mit der Polizei.

Haben sich nicht der Deutsche Journalistenverband, der PEN, „Reporter ohne Grenzen“ etc. für dich eingesetzt?

Es herrschte ohrenbetäubendes Schweigen. Hätte es nicht einen, wohlgemerkt von uns selbst initiierten, dann aber von Peter Gauweiler, einigen Bürgerrechtlern und sogar Daniel Cohn-Bendit unterzeichneten Appell für die Pressefreiheit gegeben – die etablierten Medien hätten auf den Anschlag überhaupt nicht reagiert.

Warum hast du durchgehalten?

Zum Glück gab es stets einen treuen Kern von Freunden und Lesern, die uns den Rücken gestärkt haben. Und dann ist es so, daß es gerade diese empörende Ungerechtigkeit ist, die mich immer wieder bestärkt hat, erst recht weiterzumachen. In solchen Situationen geht mir der berühmte Satz nicht aus dem Sinn: „Lewwer duad üs Slaav!“, also „Lieber tot als Sklave!“ Der Satz, den jede Strophe der Ballade „Pidder Lüng“ Detlev von Liliencrons beschließt, und die, von meinem Vater mir als Kind vorgelesen, mich besonders in den Bann geschlagen hat. Wie soll es enden, wenn wir uns jetzt schon beugen? Und es spielte auch eine große Rolle, daß immer wieder neben uns „Jungspunden“ erfahrene Journalisten an Bord kamen. Gerade nach der ersten Anschlagsserie von 1994 war es ein Ritterschlag, als der bekannte Publizist Günter Zehm, zuvor lange Jahre leitender Redakteur bei der Welt, mit seiner legendären „Pankraz“-Kolumne an Bord kam, die er bis zu seinem Tode 2019 bei uns Woche für Woche publizierte. Zehm war eine treue Seele von Mensch, ein leidenschaftlicher Blattmacher, der uns immer wieder sehr ermuntert hat.

Und die internen Auseinandersetzungen?

Intern hatten wir gleich zu Beginn 1994 eine erste tiefgreifende Richtungsdiskussion, welchen Weg die JF politisch einschlagen sollte. Vereinfacht ging es um die Frage, ob wir uns – wie zahllose Projekte von rechts – sukzessiv freiwillig in ein gesellschaftliches Ghetto, einen rechtsradikalen „Narrensaum“, manövrieren sollten, oder ob es uns mittel- und langfristig gelingt, einen Durchbruch hin zu breiterer publizistischer Relevanz zu gewinnen. Der Streit eskalierte dann um eine geschichtsrevisionistische Kolumne, die der Publizist Armin Mohler für die JF eingereicht hatte. Der Abdruck des strittigen Kolumnentextes mit einer extra organisierten Erwiderung der Schriftstellerin Salcia Landmann sowie meiner Distanzierung mündete in der Trennung von Mohler und dem damaligen leitenden Kulturredakteur, Andreas Molau. Dessen Weg führte später übrigens zur NPD und endete in einem Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes. Parallel drohte uns dann die GmbH um die Ohren zu fliegen, weil ich bei diesem Richtungsstreit meinem damaligen Mitgeschäftsführer gegenüberstand, der am Ende damit drohte, Konkurs anzumelden. Es wurde noch ein anderthalbjähriger Rechtsstreit daraus, bevor ich über gesicherte Mehrheiten verfügte.

Wir sehr hat dich dieser Kampf geprägt?

Für mich war das insofern prägend, weil es um Schlüsselprobleme konservativer, rechter Politikansätze geht. Es besteht permanent die Gefahr, unter einem repressiven Druck von außen und einer immanenten Binnendynamik sich Schritt für Schritt zu radikalisieren. Aufgrund dieser bitteren Lehrzeit sehe ich auch oft mit – von manchen als übertrieben bewerteter – Sorge auf die Entwicklung der AfD und des sie tragenden Umfeldes. Für mich ist da vieles ein Déjà-vu. 

Heute wird der JF öfter vorgeworfen, ein „AfD-Blatt“ zu sein. Schmeichelt das dir oder ärgert dich das?

Weder noch, es trifft nicht die Sache. Wir haben die Entstehung der AfD von Anfang an deshalb begrüßt, weil sie wie noch nie zuvor das Potential hatte, die demokratische Repräsentationslücke auf der konservativen Seite des politischen Spektrums zu schließen. Eine Lücke, die infolge der nicht erst unter Merkel, sondern schon unter Kohl eingeleiteten, enormen Linksdrift der CDU entstanden war. Das hat aber nichts damit zu tun, daß die AfD „unsere“ Partei wäre. Die JF nimmt vielmehr eine konstruktiv-kritische Haltung ein zu jeder konservativen, freiheitlichen, patriotischen Strömung, gleich in welcher Partei sie wirkt, etwa Boris Palmer bei den Grünen, Frank Schäffler bei der FDP, Klaus-Peter Willsch oder Hans-Jürgen Irmer bei der CDU, Wolfgang Streeck, Nils Heisterhagen oder Peter Brandt bei der SPD.

Warum kommen so oft AfD-Politiker in der JF zu Wort und so selten Politiker von der SPD oder den Grünen?

Das gelegentliche Ungleichgewicht hat verschiedene Gründe. Als Zeitung mit dem bewußt gewählten Titel „Zeitung für Debatte“ wollen wir eigentlich grundsätzlich mit Politikern jeder Couleur reden. Leider ist dies in der Praxis vielfach nicht möglich, weil die politische Kultur dem nicht entspricht und der Diskurs so eingeengt ist. Es ist zwar gerade aktuell besonders viel von „Buntheit“, „Diversität“ und „Toleranz“ die Rede – in der Realität wird das Gesprächsverbot und die Monotonie exekutiert. Letztlich grenzen in der Regel nicht die „bösen Rechten“ aus, wie immer behauptet wird, und wollen in ihrer Blase verharren, sondern vermeintlich tolerante Muster-Demokraten der Mitte und der Linken. Nochmal zurück zur AfD: Wer die JF liest, der weiß, daß wir mit der AfD immer wieder auch hart ins Gericht gehen. Für mich schließt es sich aus, Journalismus zu machen und ein Parteiblatt zu sein.

Eben das allerdings enttäuscht auch Leser.

Das kann ich verstehen, aber nichts daran ändern. Wir machen Journalismus und keine Parteipropaganda. Schon bei der Gründung der JF vor 35 Jahren war uns bewußt, daß wir den uns nahestehenden Organisationen den größten Gefallen tun, wenn wir sie nicht lobhudelnd, sondern kritisch-wohlwollend begleiten. Wir zielen auf mündige, unabhängige, gebildete, konservative Köpfe, die zwar auch politisch engagierte Menschen sind, aber ebenso verstehen, daß Politik und Journalismus zwei getrennte paar Schuhe sind. Ich weiß auch, daß manche Leser sich daran stören, wenn wir Mißstände oder einzelne radikale Personen bei der AfD kritisieren, Motto: „Doch nicht ihr auch noch!“ Doch, das ist unsere Aufgabe! Von einem guten Freund erwarte ich übrigens auch, daß er mir nicht nur schmeichelt, sondern ganz besonders hart seine Meinung sagt und mich kritisiert, wenn ich dabei bin, Fehler zu begehen.

Ein Ausblick in die Zukunft: nach 35 Jahren JF – wie geht es angesichts der Digitalisierung weiter? Wann wird die JF Tageszeitung?

Immer wieder haben im Laufe der Jahre Leser gefordert, die JF müsse eine Tageszeitung werden. Das wäre früher als Druckausgabe schon mal finanziell gar nicht zu stemmen gewesen. Abgesehen davon sind inzwischen auch alle traditionellen Tageszeitungs­titel in einem kontinuierlichen Abwärtstrend. Aber: Tatsächlich sind wir dank der Digitalisierung eigentlich schon seit mehreren Jahren Tageszeitung – nämlich online.

Ist das Angebot dafür nicht noch zu dünn? Und wie willst du das finanzieren?

Tatsächlich ist die Finanzierung der Knackpunkt. In der Vergangenheit gewann JF-Online einerseits in Form der realisierten größeren Reichweite an Bedeutung, vor allem aufgrund der dadurch erzielten Neukontakte, konkret Probeabonnements. Erst durch die erfolgreiche Einführung der Bezahlschranke, an der wir mehrere Jahre programmiert haben, und der dadurch ermöglichten „JF plus“-Beiträge auf unserer Netzseite im November 2020 haben wir jetzt die Voraussetzung geschaffen, das tagesaktuelle Angebot künftig online systematisch weiter auszubauen. Wir wollen da deutlich mehr Tempo geben. Allerdings fehlen momentan buchstäblich neue Redakteure, um mehr „Gummi auf die Straße zu bringen“. Wer Interesse hat, beim Ausbau der Online-Präsenz mitzuwirken: Bitte bewerben beim garantiert nach wie vor spannendsten Zeitungsprojekt Deutschlands!

Fotos: Mit dieser alten Schreibmaschine erledigte Dieter Stein in den Anfangsjahren der JF seine Korrespondenz; In diesem kleinen Ort im Südwesten Baden-Württembergs gründete Dieter Stein 1986 die JF als Schüler- und Studentenzeitung; Mitarbeitergespräch mit anschließender Blattkritik. Dieter Stein: „So, jetzt ist auch wieder gut, wer befreit mich von diesem Kampfhund?“; Dieter Stein 1995 im Potsdamer JF-Büro: „An Krisen hat es uns lange nicht gefehlt!“; Im Gespräch: Moritz Schwarz löchert seinen Chef mit Fragen; In dieser Garten-Hütte in Freiburg diskutierte Dieter Stein mit Freunden im Frühsommer 1986 über den Titel einer erst noch zu gründenden Zeitung; Im 1. Stock seines Elternhauses in Kirchzarten produzierte Dieter Stein zuerst eine Familien-, dann eine Klassen- und Schülerzeitung und bis 1992 schließlich die Junge Freiheit; Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Mitstreiter aus den JF-Gründungsjahren trafen sich im Juli 1987 zu einer ersten gemeinsamen Redaktionssitzung auf einer Schwarzwaldhütte; Dieter Stein zusammen mit Martin Schmidt, einem der engsten frühen Mitarbeiter der JF, 1994 in der Pots-damer Redaktion. Schmidt ist seit 2016 Landtagsabgeordneter der AfD in Rheinland-Pfalz; Ordnung ist das halbe Leben: Wohlsortierter Büroraum der JUNGEN FREIHEIT an ihrem zeitweiligen Redaktionssitz 1994 im Potsdamer Stadtteil Bornstedt