© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Aufgeschnappt
Apfelkuchen mit blutigen Wurzeln
Matthias Bäkermann

Den Anfang machte die Kolumne des US-Aktivisten Raj Patel im britischen Guardian. Dort beklagte der 49jährige am 5. Mai, daß der ur-amerikanische Apple Pie ein „rassistisches Gericht“ sei und auf dem Genozid an den Ureinwohnern Nordamerikas gründe. Sein wokes Lamento hat es jetzt sogar bis ins wmn geschafft, wo das „neue Lifestyle-Magazin für junge Frauen“ der Funke-Mediengruppe über „die traurige und blutige Geschichte“ des Apfelkuchens aufklärt. Denn „Kolonialherren ritten ein und planzten Apfelbäume als Marker der Zivilisation“. Daß sie damit die Kultur der Indianer – ähem, natürlich natives – zerstörten, „war ihnen herzlich egal“, weiß wmn-Journalistin Mona Schäffer. Doch nicht nur die Äpfel, auch die laut Rezept übliche Kruste aus Zucker hat eine schwere Hypothek. Denn dieser wurde in der Karibik durch Sklaverei gewonnen. Und würde das nicht allein reichen, um den Apple Pie zukünftig zu canceln, ist auch noch eine böse kulturelle Aneignung im Spiel. Denn das „Gingham-Tuch“, auf dem der Kuchen traditionell serviert wird, sei von Indianern abgekupfert worden. „Viele vermeintlich harmlose Dinge sind auf einmal gar nicht mehr harmlos“, zieht wmn sein trübes Fazit.