© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Ländersache: Hessen
Völlig aufgelöst
Christian Vollradt

Frankfurt ist spitze. Hier kann man nicht nur neun der zehn höchsten Häuser Deutschlands bestaunen, die Main-Metropole liefert sich auch Jahr für Jahr mit Berlin ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel der gefährlichsten Stadt Deutschlands. Angesichts dessen erscheint es nur allzu angebracht, daß die Finanzhauptstadt eine Einheit top-ausgebildeter und bestens ausgestatteter Elitepolizisten beherbergt. Beherbergte, muß man genauer sagen. Denn vergangene Woche löste Hessens Innenminster Peter Beuth (CDU) das Frankfurter Spezialeinsatzkommando (SEK) kurzerhand auf. 

Damit reagierte der Ressortchef auf die neuesten Enthüllungen über Chats mit mutmaßlich rechtsextremen Inhalten. Nicht nur Geschmacklosigkeiten wie ausländerfeindliche Witze sollen sich Beamte über einen Messengerdienst untereinander zugesandt haben, sondern auch strafbare Inhalte, ohne daß Vorgesetzte eingeschritten seien. Besonders pikant: Auf die Spur der bereits länger zurückliegenden Nachrichten seien eher zufällig Ermittler aus Rheinland-Pfalz gestoßen. 

Hessens Innenminister habe getobt, heißt es in Medienberichten. Kein Wunder. Beuth, der sich offenbar Hoffnung macht, eines nicht zu fernen Tages Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) im Amt zu beerben, kommt ein Polizeiskandal denkbar ungelegen. Seit den Aufregungen um die Drohbriefe des „NSU 2.0“ und Vorwürfe gegen Beamte eines  Frankfurter Reviers (JF 20/21) steht der 53jährige unter Beschuß der Opposition. Die Vorsitzende  der Wiesbadener Linksfraktion, Janine Wissler meinte nicht ohne Häme: „Der Innenminister hat recht: Die Polizei hat ein Führungsproblem – es heißt Peter Beuth!“ Daß der die Verantwortung nach unten delegiert habe, sehen auch andere in der Opposition so.  

Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Hessischen Landtag, Klaus Herrmann, kritisierte die Vorgehensweise des Ministers als vorschnell.  „Es ist sinnvoll, abzuwarten, was die Ermittlungsergebnisse ergeben“, meinte Herrmann gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Man dürfe nicht pauschal urteilen und alle gleich behandeln, sondern es müsse nach dem persönlichen Verschulden der Beteiligten bewertet werden. Die Auflösung nehme Beamte „in Mithaftung, die mit dem Vorgang selbst nichts zu tun haben“, so der Abgeordnete, der selbst Polizist ist. Herrmann zeigt sich vor allem besorgt hinsichtlich der Konsequenzen sowohl für die Polizei als auch für die innere Sicherheit des Landes: „Wenn so viele Beamte aus einer Dienststelle vom Dienst freigestellt werden, dann leidet darunter die Arbeitsfähigkeit und Einsatzbereitschaft des Spezialeinsatzkommandos. Andere Einheiten werden dadurch zusätzlich belastet.“ 

Vor zwei Jahren erst hatte das Frankfurter SEK einen tragischen Todesfall in seinen Reihen zu beklagen. Bei der Verfolgung einer Einbrecherbande aus Rumänien wurde ein Beamter von einem Güterzug überrollt. Nach der Auflösung des Kommandos soll Westhessens Polizeipräsident die Spezialeinheiten „neu strukturieren“. Zunächst werden wohl Beamte aus Kassel den Dienst in Frankfurt übernehmen müssen.