© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Eine ziemlich unangenehme Situation
Spanien: In mehreren Stadtteilen Valencias fühlen sich die Bewohner unsicherer denn je
Wolfgang Bendel

Sechs Uhr abends im valencianischen Stadtteil  Orriols. Vom Balkon aus filmt ein Anwohner eine Schlägerei zwischen zwei Gruppen von Algeriern und Senegalesen, die mit Stöcken aufeinander losgehen. Sechs Männer wurden im Anschluß verhaftet. Zwei der Festgenommenen mußten ärztlich behandelt werden. Ein zufälliger Gewaltausbruch zwischen jungen Männern? 

Die rechtsgerichtete Partei Vox reagierte zuerst. Das sei, heißt es in einer Presseaussendung der Partei, die „Straßengewalt, die nie im Fernsehen gezeigt wird, um die Folgen der illegalen Einwanderung zu verbergen.“  Wie immer würden die einfachen Leute die Konsequenzen des Multikulturalismus bezahlen. 

Doch María José Catalá, Sprecherin der konservativen spanischen Volkspartei Partido Popular im Stadtrat von Valencia, reagierte schnell und twitterte: „Valencia hat ein sehr ernstes Sicherheitsproblem für die Bürger.“

Die aktuellen vom Innenministerium im ersten Quartal des Jahres 2021 veröffentlichten Kriminalitätsraten bestätigen dies. Demnach stiegen vorsätzliche Morde und Mordversuche im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 75 Prozent sowie die Anzahl von Wohnungeinbrüchen um 46,2 Prozent (402 Straftaten).

PP-Stadtrat Santiago Ballester schlug in die gleiche Kerbe: „Angesichts dieser alarmierenden Zahlen glauben wir an die Notwendigkeit einer größeren Polizeipräsenz auf den Straßen der Stadt, da es derzeit einen erheblichen Mangel an Truppen gibt“, erklärte Ballester. In Stadtteilen wie Orriols, Monteolivete, Rascanya, Cabanyal, Marxalenes und vor allem angesichts der Welle von Raubüberfällen im Stadtteil Benimàmet fühlten sich die Bürger unsicherer denn je.

Einige hundert Bewohner von Benimàmet demonstrierten dann am vergangenen Freitag gegen die Unsicherheit. Sie forderten die Einrichtung einer neuen Polizeistation in ihrem Viertel und riefen Valencias linken Bürgermeister Joan Ribó auf, „dringend neue Polizeikräfte bereitzustellen.

 Dem Marsch schlossen sich Maria José Catalá sowie der Vox-Politiker José Gosálbez an. Dieser zeigte sich im Anschluß an die Nachbarschaftsdemonstration entsetzt. Die Vox habe die Probleme bereits in der April-Plenarsitzung vorgetragen, doch Ribós linkes Bündnis Compromís und die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) hätten dies abgelehnt.

Valencias Stadtrat für Bürgerschutz, Aarón Cano, wies die Anschuldigungen zurück und lobte die gut koordinierte Polizeiarbeit in Problembezirken wie Orriols. Dennoch gab Cano zu, daß es dort auch „Probleme sozialen Charakters“ gebe, an denen die Stadtverwaltung „sehr intensiv arbeiten“ müsse. „Störungen“ wie  jüngst in Orriols oder Benimàmet seien „eine ziemlich unangenehme Situation“.