© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Tells Erben lassen grüßen
Schweiz: Das CO2-Gesetz erleidet Schiffbruch
Josef Hämmerling

Ende April konnten sich die Befürworter des neuen CO2-Gesetzes – lediglich die Schweizerische Volkspartei stemmte sich vehement dagegen – entspannt zurücklehnen. 60 Prozent der Schweizer bekannten sich in einer Umfrage der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zu dem Gesetz. Doch schon Ende Mai waren es dann nur noch 54 Prozent, die dem Bundesrat in seiner Argumentation folgen wollten. „Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders betroffen, denn hierzulande steigen die Temperaturen doppelt so stark an. Nichtstun ist deshalb keine Option. Wie andere Staaten muß daher auch die Schweiz ihre Verantwortung wahrnehmen“, erklärte die Regierung und skizzierte ihr neues Gesetz als „fair und sozial“. 

Katzenjammer bei den Liberalen, die die Ja-Kampagne anführten 

Eine typische vierköpfige Familie, die einmal im Jahr mit dem Flugzeug in Europa Ferien mache, durchschnittlich viel Heizöl verbrauche und das Auto regelmäßig benutze, bezahle im Jahr rund 100 Franken mehr als mit dem heutigen Gesetz. Wählt sie ein Elektroauto, halbiere sich der Betrag. Reise sie nicht per Flugzeug in die Ferien oder heize sie CO2-frei, erhält sie sogar mehr Geld zurück, als sie bezahle, so die Argumente.

Zudem fördere das Gesetz klimafreundliche Investitionen in Gebäude, Heizungen, Fernwärmenetze und Elektromobilität. Dies schaffe Aufträge für kleinere und mittlere Unternehmen wie Sanitär-, Heizungs- und Elektrofirmen, Ingenieurbüros und die Baubranche. Zudem würden Firmen unterstützt, die klimafreundliche Technologien entwickelten. Und wer dann noch die Öl-Heizung ersetze und sich für eine Wärmepumpe, Holz oder Sonnenenergie entscheide, könne für die Umstellung finanzielle Unterstützung beantragen und bezahle danach keine CO2-Abgabe mehr.

Am vergangen Sonntag gab es dann nicht nur betretene Gesichter bei der FDP, die die Ja-Kampagne anführte. Nach Auszählung aller Kantone wird das revidierte CO2-Gesetz überraschend mit 51.6 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Gerade in den ländlichen Gebieten wurde die Vorlage verworfen. Lediglich in Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, in der Waadt und in Zürich gab es eine Mehrheit.Unter dem Strich lehnten 51,6 Prozent der Stimmenden und 18,5 Stände die Vorlage ab. In absoluten Zahlen waren 1.671.200 Stimmende dagegen und 1.568.000 dafür. „Das Nein ist ein herber Rückschlag für die ambitionierte Klimapolitik des Bundesrats“, resümierte die SRG.

„Der heutige Entscheid stellt eine ernsthafte Gefahr für die Zukunft der Schweizer Klimapolitik und das Erfüllen unserer Versprechung im Pariser Klimaübereinkommen dar“, ließ die FDP verlauten. Daher brauche es im Parlament schnell eine Übergangslösung und danach zwingend eine neue Revision des CO2-Gesetzes. Sicher sei, so die FDP weiter, daß eine solche Neuauflage nur mit „noch liberaleren Lösungen zum Erfolg geführt“ werden könne. Jeder Versuch, ein „von linker Seite geprägtes Projekt zu präsentieren, das hauptsächlich aus Verboten und Bevormundung“ bestehe, sei „zum Scheitern verurteilt“.

Die SVP dagegen jubelte: „Beim CO2-Gesetz ging es von Anfang an nicht ums Klima, sondern vor allem um sozialistische Umverteilung und um die Bevormundung der Bevölkerung. Ein Ja zu diesem mißratenen Gesetz hätte für die Bevölkerung eine massive finanzielle Mehrbelastung und einen immensen Bürokratieschub zur Folge gehabt, ohne Wirkung auf das Klima. Das heutige Abstimmungsresultat ist deshalb ein Sieg der Vernunft über die linke Profiteure-Politik und eine Chance für die Schweiz, um endlich eine effiziente und wirtschaftliche Energiepolitik zu betreiben.“

Vor diesem Hintergrund fordert die SVP eine Kehrtwende: „Weg von der ideologisch geprägten und teuren Symbolpolitik von Links-Grün, hin zu effizienten und wirtschaftlichen Lösungen“. Dabei müsse sich die Schweiz an den „erfolgreichen Grundsätzen einer freiheitlichen Politik ohne Bevormundung, Verbote und immer noch mehr Steuern und Abgaben“ orientieren. 

Bei der Energie- und Klimapolitik gelte der sicheren Energieversorgung höchste Priorität. „Wir müssen neue Technologien und Innovation fördern, indem wir optimale Rahmenbedingungen bieten. Bereits heute leistet der Schweizer Mittelstand enorm hohe Investitionen in neue Technologien, auch ohne neues CO2-Gesetz“, so die SVP. 

Bei zukünftigen Debatten und Regulierungen der Energiepolitik müsse zudem das Bevölkerungswachstum angemessen berücksichtigt werden, betonte SVP-Chef Marco Chiesa. Denn „ohne die Zuwanderungsproblematik würde die Schweiz ihre Klimaziele bis 2030 mit den heutigen gesetzlichen Bestimmungen erreichen“, so der 46jährige.

SVP erfreut über klares Nein zu den beiden Agrar-Initiativen

Die Schweizer konnten am Sonntag auch über vier weitere Initiativen abstimmen. Unter anderem sollten synthetische Pestizide komplett verboten werden. Eine weitere Initiative forderte, daß nur noch jene Landwirte direkte Fördergelder erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika verzichten, damit das Trinkwasser besser vor Verunreinigungen geschützt werde. Beide Vorhaben wurden zur Freude der SVP abgelehnt. 

Die Volkspartei begrüßte zudem das Ja zum Bundesgesetz über polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), das den Behörden die nötigen Mittel in die Hand gibt, um islamistisch motivierte Extremisten an der Ausübung von Gewalt- und Terrorakten zu hindern. Damit sei es aber nicht getan. Um das Übel des Islamismus an der Wurzel zu packen, brauche es eine konsequente Asyl- und Migrationspolitik, so die Schweizerische Volkspartei. 

Parallel dazu dürfe der Bundesrat das Ja zum Covid-Gesetz nicht als „Blankocheck für seine unverhältnismäßige, chaotische und widersprüchliche Corona-Politik“ mißverstehen. Das Resultat zeuge lediglich vom Willen des Stimmvolks, daß der Staat für die wirtschaftlichen Schäden aufkommen müsse, welche die „überzogenen Maßnahmen“ verursacht hätten. Die SVP fordert: „Normalität jetzt!“

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