© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Infantile Propaganda
Kampf gegen Rechts: Der Rapper Daniel Pongratz alias „Danger Dan“ verbreitet Haß und Gewaltaufrufe
Thorsten Hinz

Parallel zur Medienkampagne, die die Künstler-Akteure von #allesdichtmachen an den Schandpfahl heftete, wurde der Rapper Daniel Pongratz auf die Überholspur gesetzt. Anlaß war sein Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Pongratz ist Sänger der Antilopen Gang, die sich im Kampf gegen Rechts engagiert, und hat sich den gefährlich klingenden Namen „Danger Dan“ zugelegt. Sein Song ist erstaunlich brav, im Grunde unerheblich, zum Gähnen. Doch er demonstriert, was heute „Haltung“ heißt.

Das Lied beginnt im hypothetischen Konjunktiv. Gesetzt den Fall, er, Pongratz, würde ein Lied schreiben, in dem es hieße, der Journalist „Jürgen Elsässer sei Antisemit“, „Gauland sei ein Reptiloid“ – ein Zwischending von Mensch und Tier – und beim rechten Verleger Götz Kubitschek würde er „den Bogen spannen“, nämlich „das Sportgerät, das Pfeile schießen kann“, und gesetzt den Fall, er, Daniel Pongratz alias Danger Dan, würde dann noch fordern, „die Welt von den Faschisten zu befreien / Und sie zurück in ihre Löcher reinzuprügeln“, ja, was wäre dann? „Juristisch wär die Grauzone erreicht / Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht / Zeig mich an und ich öffne einen Sekt / Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“.

Höhnisch verweist er auf den Journalisten und Moderator Ken Jebsen, den er vor Jahren in ähnlicher Weise angegangen war und der – wie es dramatisierend heißt – „uns vor Gericht gezerrt“ hat, wo er scheiterte und für alle Kosten aufkommen mußte. Mutiger Kerl, als der er nun mal gelten will, wagt er, Daniel, sich dann aus der Schutzzone des Konjunktivs auf das Minenfeld des Indikativs: „Ich wär nicht wirklich Danger Dan / Wenn ich nicht Lust hätte auf ein Experiment / Mal die Grenzen auszuloten, was erlaubt und was verboten ist“. Um in der Zone der Unsicherheit trotzdem ganz sicher zu gehen, beruft er sich neben der Kunst- auf die Freiheit seiner „Meinung“, ehe er loslegt: „Jürgen Elsässer ist Antisemit“, „Kubitschek hat Glück, daß ich nicht Bogen schieß“, und Gauland zähle zwar nicht zu den „Reptilienmenschen“, sondern wirke „eher wie ein Nationalsozialist“. Zum Schluß gibt er noch einmal den unerschrockenen Rebellen: „Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz“. Im offiziellen Video präsentiert er dazu drei Patronen und hantiert mit einer Kalaschnikow. Und ja: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“!

So ist es wohl, und so soll es auch bleiben. Klugerweise haben die Angesprochenen es unterlassen, juristisch dagegen vorzugehen. Wobei die Deckung sich wohl in geringerem Maße der Kunstfreiheit verdankt – die ist schließlich Auslegungssache –, als vielmehr der politischen Opportunität: Das Lied propagiert perfekt die derzeitige Staatsräson, die da lautet: Kampf gegen Rechts! Hätte ein Rechtsrocker vergleichbare hypothetische Pfeile auf Anetta Kahane, Heiko Maas und einschlägige Haltungsjournalisten von ARD und ZDF gerichtet, würde es Anzeigen und Ermittlungen wegen Haßrede, Gewaltaufruf und Morddrohung und umgehend eine Hausdurchsuchung geben. Mindestens.

Danger Dan hingegen bekommt einen Auftritt im ZDF, wird von Print- und elektronischen Medien zum Interview gebeten, vom Feuilleton mit überschwenglichen Besprechungen bedacht und von twitternden Politikern gelobt.

Die zuständige FAZ-Redakteurin ist ganz vernarrt in die Musik des vermeintlich wilden Burschen: „Eine Art Protestsong, der mit den Grenzen des Legalen spielt, (...) die Spielräume der Kunstfreiheit auslotet (...) Die Gründe, warum ein Rapper, der Chansons über die großen Fragen des Daseins singt und sich dazu am Klavier begleitet, derart berührt, werden sich vermutlich nie ganz ermitteln lassen. Sie liegen irgendwo in der universellen Kraft der deutschen Musiktradition verborgen, in der Unmittelbarkeit der Instrumentierung und Bereitschaft eines Interpreten, sich selbst ganz unheroisch zum Exempel zu machen.“ Allenfalls das Wort „unheroisch“ trifft hier zu, es müßte nur „wichtigtuerisch“und „infantil“ hinzugesetzt werden. 

Eine überraschende Ausnahme bildet der Fragesteller der Zeit: „Fühlen auch Sie sich manchmal bereits als Agitprop-Clown?“ Als Danger Dan an anderer Stelle rhetorisch gegenfragt: „Bin ich damit noch vermarktbar, wenn ich in einem Liedtext rechte Netzwerke bei der Polizei kritisiere?“, gibt der Reporter ungerührt zurück: „Um Ihren Vertrieb kümmert sich Warner Music. Fällt die Pose des karriereverweigernden Rebellen leichter, wenn man eine der größten Plattenfirmen der Welt im Rücken hat?“ Was soviel heißt wie: Du bist nicht witzig. Du bist der Witz! 

Um den – auf Dauer unvermeidbaren – Widerspruch zwischen subjektivem Revoluzzer-Anspruch und objektiver Affirmations-Funktion im Kulturbetrieb zu problematisieren, braucht es die Fähigkeit zur Reflexion und Selbstreflexion. Danger Dan, im 39. Lebensjahr stehend, sollte heute dazu fähig sein, doch ausweislich seines Songtexes ist er für sein Alter unerwartet jung geblieben. Am Ende des Videos läßt er sein Gesicht mit Tomaten, Eiern und Torte bepflastern. Das Ergebnis erinnert an die legendäre Gesichtsmaskerade der – im Gegensatz zu Daniel Pongratz selbstironischen – Rammstein-Recken durch den Maler Gottfried Helnwein. Offenbar wollte Danger Dan präventiv die Wunden zeigen, die sein Bekennermut ihm einbringen könnte und wirkt doch bloß wie ein tapferes Schneiderlein nach der Schlacht am kalten Buffet. 

Die Personen, die er sich in seinem Lied zur Brust nimmt, befinden sich längst im staatlichen, medialen, gesellschaftlichen Verschiß; Ken Jebsen ist vom Verfassungsschutz sogar offiziell als Zielobjekt markiert worden. Hier nachzutreten, erinnert an das Verhalten staatsnaher DDR-Autoren, die ihre unter Stasi-Stalking leidenden Kollegen im SED-Zentralorgan als „kaputte Typen“ bezeichneten und ein „Kommt Zeit, vergeht Unrat“ nachriefen.

Versetzen wir den Sänger mal ganz hypothetisch in die verflossene DDR und formulieren anläßlich seines Auftritts eine konjunktivistische Aktennotiz, gerichtet an den für innere Befriedung zuständigen Minister: „Der Genosse Sänger hat, von einem klaren Klassenstandpunkt ausgehend, in Eigeninitiative an der Bearbeitung und Isolierung der von den zuständigen Organen identifizierten feindlich-negativen Kräfte mitgewirkt und die verantwortungsvolle Tätigkeit der staatlichen Stellen in schöpferischer Weise unterstützt. Sein künstlerischer Beitrag ist in hohem Maß geeignet, gerade die Jugend über die Machenschaften des Klassenfeindes gegen unseren Arbeiter-und-Bauernstaat und seine auf das Wohl des Volkes gerichtete Politik aufzuklären. Es wird daher vorgeschlagen, den Genossen Sänger für seine Verdienste usw. usf.“

Da waren die Rapper Farid Bang und Kollegah 2017 ein anderes Kaliber. Sie sangen, wie sich das für ihren Berufsstand gehört, mit offenem Visier und sorgten mit dem Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ für einen echten Aufreger. Die beiden Mittdreißiger drohten: „Und zeugen einen Hurensohn in jeder deutschen Großstadt.“ Die Zeile schließlich: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“, war gerade in ihrer Geschmacklosigkeit eine Provokation ohne Absicherung, verhöhnte sie doch den für die BRD-Identität zentralen, zivilreligiösen Diskurs. In ihren Songs entfaltete sich eine „Ästhetik des Schreckens“ (Karl Heinz Bohrer), indem es das Faszinationspotential von Gewalt, Regelverletzung und Tabubruch freisetzte. Verglichen mit diesen Adrenalin-Granaten und Testosteron-Bomben nimmt Danger Dan sich wie ein künstlerischer Schlappschwanz aus, der die Political Correctness als Viagra benötigt.

Sein Lied „Das ist alles durch die Kunstfreiheit gedeckt“ arbeitet mit bürokratischer Akkuratesse das erwartbare politische Programm ab: Staatspropaganda kombiniert mit juristischer Raffinesse also. Eine Synthese, die statt an die Imaginationskraft an die Schadenfreude, an den inneren Schweinehund der ohnehin Gleichgesinnten appelliert. Aus den Filmen Claude Chabrols weiß man, daß sich hinter der Biederkeit des Bürokraten oftmals Tücke, Bosheit, geheime Lüste verbergen.

Pongratz’ „Kunstfreiheit“-Auftritt bei Jan Böhmermann im ZDF wurde von dem Pianisten Igor Levit am Klavier begleitet. Levit hatte 2015 die politische Debatte mit der Aussage bereichert, AfD-Mitglieder hätten „ihr Menschsein verwirkt“, was Politik und Medien nicht gehindert hat, ihn zur unangreifbaren geistig-moralischen Instanz zu erheben. Im Hintergrund bespielten FFP-2-maskierte Musiker ihre Geigen. Da konnten dem Zuschauer, betört vom sanften Klang der klassischen Instrumente, von der Aura der Hochkultur und der öffentlich-rechtlichen, semistaatlichen Autorität, die Grenzen zwischen hypothetischer und wörtlich gemeinter Entmenschlichung des politischen Gegners schon mal verschwimmen.

„Man diskutiert mit ihnen nicht, hat die Geschichte gezeigt“, trällerte Daniel alias Danger Dan und meinte die „Faschisten“. Wobei nicht klar ist, was er unter Faschismus versteht. Die komplexen Erklärungen in Ernst Noltes Standardwerk „Der Faschismus in seiner Epoche“ wird er kaum kennen. Mit der linken Definition, die vom bulgarischen Kommunisten Georgi Dimitroff stammt: „Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“, kann er ebenfalls nicht überzeugend hausieren gehen, denn das „Finanzkapital“ ist auch bei seiner Vertriebsfirma Warner Music tätig.

Aber es geht sowieso nicht mehr um Argumente, um Rationalität und historische Zusammenhänge. Die Kinder dieser Republik haben gelernt, den Faschismus als ein düsteres Märchen zu verstehen, aufgestiegen aus dem ewigen deutschen Sumpf, der trockengelegt werden muß. So hat sich schleichend eine masochistische Kollektivmoral durchgesetzt. Die von ihr Befallenen finden eine kompensatorische Befriedigung im Sadismus, den sie gegen jene richten, die solchen Blödsinn ablehnen und deshalb als braune Sumpfgeister verschrien werden. Pongratz alias Danger Dan ist nicht das einzige Opfer des primitiven Faschismus-Diskurses. Sein Video wurde auf Youtube millionenfach angeklickt und hunderttausendfach mit einem nach oben gestreckten Daumen versehen. Wer begreifen will, was in dieser Republik vor sich geht, wird sich sein Lied, so banal es auch auch ist, einmal wenigstens antun müssen.

Foto: Rapper Danger Dan (Daniel Pongratz) während eines Konzertes am 16. Juni 2019 im burgenländischen Nickelsdorf: Politische Korrektheit als Viagra