© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Zeitschriftenkritik: Tumult
Von der Corona-Krise bis Zarah Leander
Werner Olles

In seinem Beitrag „Tabula Rasa“ in der Sommer-Ausgabe der Vierteljahresschrift Tumult zeichnet der Germanist Peter J. Brenner das Bild „einer verfallenden Gesellschaft“. Das Corona-Regime sei „eine Kriegserklärung an die bürgerliche Gesellschaft“. Am härtesten betroffen sei „das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, das zugleich das Rückgrat der deutschen Gesellschaft ist: der Mittelstand“. Erklärbar seien die von der Corona-Krise entfesselten politischen und gesellschaftlichen Dynamiken allein mit jener „Strategie der Hypermoral“ jedoch nicht: „Auch der Hinweis auf die notorische Anspruchslosigkeit der Deutschen bei der Auswahl ihrer Regierungen erklärt nicht alles.“ 

Der Philosoph Lorenz Bien befaßt sich mit den Protestbewegungen des Westens und läßt so unterschiedliche Gruppierungen wie „Occupy Wall Street“, „Gelbwesten“, „Black Lives Matter“ und „Querdenker“ Revue passieren, die alle ein „im Grunde revolutionäres Element“ aufwiesen. Zwar habe der sogenannte „Sturm auf das Kapitol“ einen „performativen Aspekt“ gehabt, doch die symbolische Natur der Aktion sei ein „höchst radikaler Akt“ gewesen, der jedoch folgenlos blieb: „Sämtlicher Protest, jede Unruhe und selbst jeder Anschlag finden innerhalb einer Ordnung statt, die eine hohe Stabilität aufweist und an deren eigentlichem Gerüst soziale Unruhen nicht rütteln“. Zwar stehe die neue Stabilität vermutlich auf tönernen Füßen, doch der Verlauf der Globalisierung stürze die westliche Gesellschaft nicht ins Chaos, sondern verdichte sich zunehmend zu einer anderen Form von Ordnung, einer „Antiordnung“. 

Der Kunsthistoriker Jonathan Meynrath erinnert in seinem Beitrag zum 40. Todestag der schwedischen Schauspielerin und Sängerin Zarah Leander an eine große Künstlerin. Seine Hommage zählt nicht nur ihre Bewunderer auf – von Adolf Hitler, Klaus Mann und Nina Hagen über Lisa Eckhart, Jorge Semprún, Victor Klemperer bis Joseph Ratzinger –, sondern beschreibt auch das ambivalente Verhältnis zu Goebbels, in dessen Tagebüchern sie zunächst skeptische Erwähnung findet. Als er ihr 1942 die deutsche Staatsbürgerschaft anträgt, lehnt sie dankend ab und verläßt das Deutsche Reich nach dem letzten Drehtag im November. Zur Premiere ihres Films „Damals“ kehrt sie im Frühjahr 1943 noch einmal zurück und überlebt mit Glück einen britischen Fliegerangriff. Im Juni 1981 stirbt sie im Alter von 74 Jahren in Stockholm.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Selbstdarstellung der gealterten Bundesrepublik (Jürgen Grosse), mit der „Eva der Zukunft“ (Bettina Gruber), „Humanismus und Transhumanismus“ (Arne Kolb) sowie dem „Judaskuß der chinesischen Dystopie“ (David Lehmann/Yannic Weber).

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 10,50 Euro, ein Jahresabo 40 Euro. 

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