© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Politische Schlafwandler arbeiten an Europas Auflösung
Bürgerliche Gesellschaft im Visier
(wm)

Die Corona-Pandemie ist ein historischer Zufall. Aber der Umgang der Politik damit, so beurteilt der Literaturwissenschaftler Peter J. Brenner die Lage (Tumult, 2/2021), habe nicht nur in Deutschland genau so kommen müssen, wie sie gekommen ist. Weil sie einer Entwicklungslogik folgt, die auf verwandten Politikfeldern zu beobachten ist, der Klima-, Flüchtlings- und besonders massiv der Cancel-Culture-Politik. Es sei daher kein Zufall, daß sich diese verschiedenen Strömungen im Corona-Diskurs verschränken und sich in Frontstellungen verhärten, die mit gesundheitspolitischen Fachfragen nichts zu tun haben. Gemeinsam sei diesen Politiken der eigentliche Gegner: Europas bürgerliche Gesellschaften, deren Traditionen, Lebensformen und Wertvorstellungen. Um das abzuräumen, folge das Regierungshandeln allerdings keinem geheimen Plan. Besser erkläre die durch Christopher Clark für 1914 etablierte Metapher von den „Schlafwandlern“, was gegenwärtig geschehe. Eine Metapher, die zuerst von Hermann Brochs Romantrilogie „Die Schlafwandler“ (1930/31) geprägt wurde, die die Zeit vor dem Großen Krieg als „Auflösungsprozeß ihrer Lebensformen“ beschreibt. Mit ähnlich schlafwandlerischer Sicherheit arbeite die Politik heute auf einen Zustand hin, der Europa zur gesichtslosen Benutzeroberfläche umforme. 


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