© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Das abnehmende Licht des Erleuchteten
Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur hat eine Biographie des iranischen Revolutionsführers Khomeini vorgelegt
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Ruhollah Musavi wurde 1902 in dem kleinen iranischen Dorf Khomeini geboren, das ihm später den vollständigen Namen gab. Nach seinem ihn sehr prägenden Theologie-Studium sind zur rechten Interpretation der Glaubensausübung Rechtsgelehrte erforderlich. In seinen Vorlesungen setzte sich Khomeini bald durch seinen Mut von anderen ab. Schließlich forderte er sogar die Wahl des Königs, während der pro-westliche Schah mit seinen im Volke ungeliebten Modernisierungsplänen jenen Einfluß des politischen Klerus zu unterbinden suchte. Die Botschaften des charismatischen Predigers „Nur die Rückbestimmung auf den Islam kann das Land retten“ und von der „erniedrigenden Bevormundung durch den Westen“ wirken noch überzeugender; ohnehin wird der Anti-Amerikanismus ein Eckpfeiler seiner Politik. Bei den Unruhen 1969 wird er verhaftet und vom Regime in die Türkei und dann in den Irak verbannt; später nimmt er eine Einladung der französischen Regierung an. Ihn umgibt inzwischen die Aura des Martyriums. In seiner Heimat führen die Unruhen zum Sturz des Schahs, der fluchtartig den Iran verläßt.

Am 1. Februar 1979 kehrt Khomeini nach Tehe­ran zurück. Kein anderer Revolutionär hat die islamische Welt so verändert wie er. Ausführlich schildert das Buch von Katajun Amirpur die Errichtung seines schiitisch-theokratischen Regimes, das den Alltag der Menschen in allen Details reguliert: „Die Basis des Islams ist Gehorsam, nicht Freiheit.“ Tausende Feinde des Islams und Irans werden hingerichtet. Die Demokratie galt für Khomeini als unvereinbar mit dem Islam, entscheidend für ihn waren die Existenz des göttlichen Rechts und die Souveränität Gottes. Die Autorin, Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Köln, schreibt in ihrer eindrucksvollen Biographie, Khomeini „bleibt uns fremd und unheimlich“. Immerhin sind sich alle Beurteilungen einig, daß er seine Macht nie zu seinem persönlichen Vorteil ausnutzte und stets ein asketisches Leben führte.

Hatten 1979 Millionen Menschen den nach 15 Jahren aus seinem Pariser Exil heimkehrenden Revolutionsführer noch umjubelt und die Erfüllung ihrer Wünsche erwartet, so enttäuschte die Revolution die meisten Erwartungen, welche in sie gesetzt wurden. Entsprechend zwiespältige Gefühle hegen viele Iraner Khomeini gegenüber, obwohl seinem Staatsbegräbnis im Juni 1989 Millionen Menschen beiwohnten. Der Drang vieler, seinen Sarg zu erreichen, führte damals zu chaotischen Zuständen, und noch Tage danach zählte man Abertausende am Grab. Für überaus viele Iraner ist er auch heutzutage „der Retter“, „der Erleuchtete“, „der Heilsbringer“. Dennoch verlassen jährlich wenigstens 200.000 Iraner ihre Heimat, und der weit verbreitete Unmut über das System hat längst auch große Teile der engsten Familie des Staatsgründers erfaßt. Sie gehen nicht auf Distanz zu ihm sowie seinen Botschaften, sie wollen indes Reformen und sind gegen die Herrschaftstheorie der jetzigen Islamischen Republik. Doch sie sind nicht die einzigen, die eine Abweichung von den Zielen der einstigen Revolution beklagen. Amirpur ist sich sicher, daß auch „viele Revolutionsväter und ihre Kinder heute zur Opposition gehören“.

Jedenfalls bestimmen der Kampf um das wahre Erbe Khomeinis und die Frage nach den echten Zielen seiner Revolution auch jetzt noch die Islamische Republik – über dreißig Jahre nach seinem Tod.

Katajun Amirpur: Khomeini. Der Revolutionär des Islams. Verlag C.H. Beck, München 2021, gebunden, 352 Seiten, 26,95 Euro