© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/21 / 18. Juni 2021

Umwelt
Der Wind hat seinen Preis
Jörg Fischer

Franz Alt ist ein Kind Westdeutschlands: Geboren in Baden, promovierte er über Konrad Adenauer, war bis zur Rente Journalist beim Südwestfunk. Wegen der Nachrüstung und Tschernobyl verließ Alt 1988 nach 25 Jahren die Atom-CDU. Sein Erfolgsbuch „Die Sonne schickt uns keine Rechnung – die Energiewende ist möglich“ (1994) überzeugte viele Christlich-Konservative und erklärt die grünen Wahlerfolge im Ländle. Und mit seiner ersten Aussage hat Alt recht behalten – doch die Zweifel an der deutschen Energiewende mehren sich: Der Wind, der derzeit etwa die Hälfte des „erneuerbaren Stroms“ liefert, ist keine unbegrenzte Ressource. Das behaupten nicht die AfD, „Klimaleugner“ oder lokale Windradgegner, sondern das zeigt eine Studie des Helmholtz-Forschungszentrums Hereon. Die immer zahlreicheren Windparks können sich inzwischen gegenseitig ausbremsen, warnen Naveed Akhtar, Experte für regionale Klimamodellierung“ und seine Helmholtz-Kollegen in den Nature Scientific Reports (11826/11/21).

Sonnenenergie und Biomasse können den Ausfall von AKWs und Kohlekraftwerken nicht ersetzen.

Ströme Wind durch einen großen Off­shore-Park in der Nordsee, verlangsame sich die Luft-Strömung. Diese Bremswirkung sei erstaunlich großräumig: Im Schnitt reiche sie 35 bis 40 Kilometer weit – bei bestimmten Wetterlagen sogar bis zu 100 Kilometer. „Die Leistung eines benachbarten Windparks kann sich damit um 20 bis 25 Prozent verringern, was letztlich zu wirtschaftlichen Verlusten führt“, schreiben die Helmholtz-Forscher. Sprich: Künftige Windparks können nicht mehr so dicht nebeneinander geplant werden – doch Sonnenenergie und Biomasse können den geplanten Ausfall von AKWs und Kohlekraftwerken nicht ansatzweise ersetzen. Aber es kommt noch schlimmer: Wind und Wellen durchmischen das Meerwasser. Das verändert den Salz- und Sauerstoffgehalt, die Temperatur und die Nährstoffmenge in bestimmten Wassertiefen. Akhtar will nun herausfinden, wie sich dies auf die Tierwelt auswirke. Allerdings: Die von Rotoren erschlagenen Vögel, Fledermäuse und Insekten haben bei grünen Klimaschützern keine Lobby.

 nature.com