© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Rainer Klute und der Verein „Nuklearia“ streiten auf fast verlorenem Posten für die Wiedereinführung der Atomkraft.
Allein gegen alle
Friedrich-Thorsten Müller

Es ist nicht selbstverständlich, daß ein Informatiker, der Physik nur im Nebenfach studiert hat, von der „Schweizer Gesellschaft der Kernfachleute“ als Referent eingeladen wird. Dem ehemaligen Atomkraftgegner Rainer Klute, heute Vorsitzender der Bürgerinitiative Nuklearia e.V., ist das gelungen.

Sein „Damaskuserlebnis“ hatte der damalige Politiker der Piraten-Partei ausgerechnet 2011, als die deutsche Politik das Fukushima-Unglück zum Fanal für einen beschleunigten Atomausstieg stilisierte. Einer seiner drei Söhne lebte damals in der Nähe des japanischen Meilers. Das weckte in dem heute 60jährigen Dortmunder das Bedürfnis, genau zu verstehen, was passiert war. Anderen hätte es wohl genügt, daß das Kind unversehrt blieb, und aus Betroffenheit um so lauter ins Horn der AKW-Gegner zu blasen. Nicht so Klute. Die „Beschäftigung mit den Fakten“ habe ihn zum Kernkraftbefürworter werden lassen.

Der Wandel des praktizierenden Protestanten vom Atom-Saulus zum Paulus hatte Folgen. Schnell entfremdete er sich seiner Partei, der er 2009 beigetreten und für die er 2010 als Landtagskandidat im westfälischen Wahlkreis Herford II angetreten war. Das Zerwürfnis nahm seinen Lauf, als Klute versuchte, mittels der von ihm gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Nuklearia“ den Kurs der Piraten in Sachen Atomkraft zu bestimmen. Bis in den Spiegel schaffte es der Zwist, inwieweit die AG für die Partei sprechen dürfe – die sich gerade per Parteitagsbeschluß in die Armada der Atomaussteiger eingereiht hatte. Wenig überraschend, daß Nuklearia 2013 von Bord und von nun an als Verein alleine in See stechen mußte. Klute, weiterhin dessen Steuermann, heuerte ein Jahr später bei den Polit-Freibeutern ab – auch aus Verärgerung über deren Mißachtung christlicher Belange.

Wie auf dem Gemälde 

„Der letzte Mann“ recken sie einem übermächtigen Gegner Faust und Flagge entgegen.

Seither können er und Nuklearia ohne parteipolitischen Ballast ihrem Südseetraum entgegensegeln: Erhaltung einer „lebenswerten Umwelt“ durch Atomkraft. Mit dieser lasse sich nämlich am besten der Zielkonflikt – verläßliche, bezahlbare Energie einerseits, CO2-Einsparung andererseits – lösen. 

Es spiegelt die Tragik der deutschen Energiepolitik wider, daß sich Nuklearia damit zwischen alle Stühle setzt. Denn als das Häuflein Aktivisten, das Klute um sich geschart hat, Ende 2020 voller Idealismus vor allen noch aktiven Atommeilern mit je fünfzig bis hundert Protestierern für deren Erhalt demonstrierte, stand man ihnen von seiten der Betreiber genauso feindselig gegenüber wie früher den Kernkraftgegnern. So war es auch dieser Tage im Kernkraftwerk Isar, wo Klute und seine Aktivisten einen Filmdreh zu Werbezwecken in Sachen Atomkraft geplant hatten, der ihnen aber verwehrt wurde. Die eng mit der Regierungspolitik verbandelten Strom-Konzerne haben sich dank großzügiger Abfindungen längst mit dem Atomausstieg arrangiert. Daran ändert auch nichts, daß laut aktueller Civey-Umfrage eine Mehrheit der Deutschen – 50,1 zu 41,5 Prozent – die Beibehaltung der Atomkraft für den Klimaschutz befürwortet.

Und so recken Rainer Klute und Nuklearia, ohnmächtig und doch wild entschlossen wie „Der letzte Mann“ auf dem gleichnamigen ikonographischen Gemälde des Marinemalers Hans Bohrdt, einem übermächtigen Gegner Faust und Flagge entgegen.