© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Ländersache: Brandenburg
Klein-Klein statt Gala
Christian Vollradt

Man kennt das ja: Familienfeier, alles ist festlich gestimmt, doch auf einmal steht nicht mehr der Jubilar im Mittelpunkt, sondern ein schon länger in der Verwandtschaft schwelender Konflikt, der plötzlich wieder hervorbricht. Und anschließend ist die Stimmung im Eimer. 

So ähnlich lief es offenbar am vergangenen Donnerstag in Potsdam, nur daß es sich nicht um Opas Achtzigsten im Gasthof „Zur Linde“ handelte, sondern um die Feierstunde, mit der der Brandenburger Landtag den 30. Jahrestag des „Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ würdigte. Immer enger „und vor allem immer menschlicher und herzlicher“ sei die Verbindung im Laufe dieser Jahre geworden, so Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD). Sie hob hervor, daß am 17. Juni 1991 nicht nur das Abkommen von den Regierungschefs und Außenministern beider Staaten unterzeichnet, sondern auch das Deutsch-Polnische Jugendwerk ins Leben gerufen wurde. 

„Gerade in der Grenzregion ist die deutsch-polnische Zusammenarbeit ein Lebenselixier geworden“, ergänzte Ministerpräsident Dietmar Woidke, zugleich Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit. „Grenzüberschreitend denken und handeln wird alltäglich.“

Auch der Ehrengast, Polens Botschafter Andrzej Przylebski, war in seiner Ansprache voll des Lobes für das Vertragswerk, das bis heute die Beziehungen beider Länder präge. Es sei „auch ein Beispiel dafür, daß Jahrhunderte von Ressentiments, sogar Haß, sich in eine freundschaftliche Nachbarschaft verwandeln können“. Besonders erfreut zeigte sich Warschaus Diplomat angesichts der Pläne Brandenburgs, die Freundschaft zu Polen in seiner Landesverfassung zu verankern. „Ich muß zugeben, daß mich das zutiefst berührt hat“, gestand Przylebski. Doch der Botschafter schlug auch kritische Töne an. Deutschland gebe zu wenig Geld aus, damit die polnische Sprache gelehrt werden kann, außerdem sollten die hierzulande lebenden Polen als Minderheit anerkannt werden. Hart ins Gericht ging er zudem mit einigen deutschen Medien. Sein Land würde von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie den Zeitungen als nahezu totalitäres Land und untergehende Demokratie dargestellt. Das sei weit entfernt von jeder Wahrhaftigkeit. „Fünf deutsche Korrespondenten in Warschau ruinieren 30 Jahre der deutsch-polnischen Versöhnung und Verständigung“, meinte Przylebski.

Daraufhin wetterte der Grünen-Landtagsabgeordnete Heiner Klemp gegen den diplomatischen Ehrengast. Dessen Rede sei provokant, polemisierend und „schwer erträglich“ gewesen. Warschaus Umgang mit Minderheiten entspreche nicht „unserem Verständnis von Menschenrechten“. Das wiederum wollte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, Dennis Hohloch, so nicht hinnehmen: „Sie benutzen diese Feierstunde, die eigentlich dafür da ist, die deutsch-polnische Freundschaft zu feiern, für ihr tagespolitisches Klein-Klein, und dafür sollten Sie sich schämen“, rief er in Richtung Grüne.