© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ciao mit Au
Christian Vollradt

Seit Beginn der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode ist Frauke Petry fraktionsloses Mitglied des Bundestags. Ihr Platz im Plenum ist hinten, ohne Tisch; die Redezeit ist kurz, und die frühere Parteivorsitzende, einstige Spitzenkandidatin sowie direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises 158 – Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge – gehört keinem Ausschuß an. Applaus erhält sie kaum, vereinzelt klatschten zuletzt vereinzelte Ex-Parteifreunde, als Petry gegen die Fortsetzung der epidemischen Lage nationaler Tragweite sprach oder gegen die Änderungen im Bevölkerungsschutzgesetz. 

Ganz anders am vergangenen Freitag. Da stand Petry noch einmal ganz im Mittelpunkt des – vor allem medialen – Interesses. Im Bundestag. Wenn auch in einer eher ungewöhnlichen Rolle, nämlich der einer Autorin, die ihr Buch präsentiert. „Requiem für die AfD“, so der Titel des gut 300seitigen Werks. Ein Requiem bekommt nur, wer schon tot ist. Es ist sozusagen die Mindestvoraussetzung. Doch ist die AfD wirklich tot? Umfragewerte und Wahlergebnisse deuten nicht darauf hin. Beim Titel, erläutert die Autorin, habe sie als begeisterte Kirchenmusikerin und leidenschaftliche Chorsängerin natürlich in erster Linie an Mozarts Requiem gedacht. Denn dort schwingen stets Gefühle mit, etwas, das sie auch mit ihrer Zeit in der AfD verbinde. Mehr Analogien zur letzten Komposition des einstigen Wunderkinds aus Salzburg gibt es ganz augenscheinlich nicht. Schließlich starb Mozart noch während seiner Arbeit daran, so daß nur rund zwei Drittel von ihm selbst stammen. Frauke Petry dagegen sitzt an diesem nichtsitzungswöchentlichen Freitagmittag quicklebendig im Sitzungssaal E800 des Paul-Löbe-Hauses. 

Wobei auch Petrys Buch in gewisser Hinsicht ein Gemeinschaftsprodukt ihrer – politischen – Familie ist. Denn verlegt hat das Werk ihr Mann Marcus Pretzell, der eigens unter dem Dach seiner Projektentwicklungsgesellschaft den Stadtluft-Verlag in Delitzsch gegründet hat. In dessen Team sind auch Petrys Bundestagsmitarbeiter eingebunden, und den Umschlag des bisher einzigen dort erschienenen Buches gestaltete der fraktionslose nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Alexander Langguth, der wie Pretzell und Petry eine Weile der von ihnen gegründeten „Blauen Partei“ angehört hatte.

Tot sei die AfD, präzisiert die einstige Vorsitzende, nicht im Sinne der reinen Existenz, sondern als Partei, „so wie sie gegründet wurde“.  Sie sei inzwischen von jeder Option mitzuregieren weiter entfernt als in den Gründungsjahren. Aus der Alternative für bürgerliche Wähler sei eine „chaotische Protesttruppe“ geworden – und das sei gewollt. Damit sei die AfD für die Etablierten jedoch viel weniger gefährlich. Ist es Rache, die sie umtreibt? wird Petry gefragt. Nein, Rache sei ein viel zu unproduktives Gefühl, versichert die Gefragte. Ruhe, lateinisch requies, gönnt Petry ihrer Ex-Partei jedenfalls nicht: Dieser Tage habe sie dem Bundestagspräsidenten neue Beweismittel für illegale Finanzspritzen an AfD-Politiker übergeben, mit denen sich diese, ist Petry fest überzeugt, erpreßbar gemacht hätten.