© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Entwicklungshilfe nein danke
El Salvador: Präsident Nayib Bukele verändert das Land in rasender Geschwindigkeit
Jörg Sobolewski

Wer an Bitcoin und Kryptowährungen denkt, oder an Digitalisierung und Modernisierung, dem fallen vermutlich ein paar Staaten und Unternehmen ein, aber El Salvador steht nun an der Spitze. Dabei verändert sich das kleine Land in Mittelamerika im Moment in rasender Geschwindigkeit. Zum Leidwesen einiger, zur großen Freude anderer. Verantwortlich dafür ist der Präsident des Landes: Nayib Bukele. 

Der Sohn christlich-palästinensischer Einwanderer, der als erfolgreicher Unternehmer den Grundstein für seine Karriere gelegt hat, mischt seit 2015 die Politik des Landes auf. Mit seiner Wahl zum Präsidenten 2019 begann schließlich die heiße Phase des „Bukelelismo“, wie seine Anhänger die neue Zeit feiern. Mit harter Hand greift der Enddreißiger seither in die Politik seines Landes ein. 

Erfolge bei der Bekämpfung der Bandenkriminalität

Den lokalen Gangs hat er den Krieg erklärt, lange geschlossene Bündnisse zwischen Lokalpolitikern und dem organisierten Verbrechen aufgekündigt und mehr Kriminelle hinter Gitter gebracht als jeder seiner Vorgänger. Auch mit einem aufsässigen Parlament ist er nicht sonderlich freundlich umgesprungen.  Als man ihm dort 2020 die Bewilligung eines Kredits zur Bekämpfung der Bandenkriminalität versagte, ließ Bukele kurzerhand Eliteeinheiten des Militärs zur Abstimmung im Parlament antreten. Als „Besucher“, wie er es damals formulierte, vor dem Parlament demonstrierten derweil seine Anhänger und bezeichneten die oppositionellen Altparteien als „Schädlinge“. 

Natürlich erhielt der selbst von seinen Gegnern als „charmant“ bezeichnete Bukele seinen Kredit, und natürlich erhielt der Präsident einige Monate später im Februar dieses Jahres eine komfortable Mehrheit in den Parlamentswahlen. Gegen eine Einheitsfront aus allen anderen Parteien setzte sich seine Partei „Nuevas Ideas“ durch. Ohne Wahlfälschung, wie selbst die ihm sonst weniger gewogene Organisation Amerikanischer Staaten festhielt. 

In seinem eigenen Land hat Bukele sich quasi zu einer Mischung aus „Elon Musk und Trump“ wählen lassen, wie ein Kommentator der spanischen El País festhielt. Spätestens mit der Entscheidung des Parlaments, die Kryptowährung „Bitcoin“ als offizielles Zahlungsmittel im Land zu akzeptieren, ist sein Ruf auch außerhalb des Landes als Modernisierer gefestigt. „Kurzfristig wird dies Arbeitsplätze schaffen und Tausenden außerhalb der formalen Wirtschaft zu finanzieller Teilhabe verhelfen“, hofft zumindest der Präsident. Die Idee des gelernten Kaufmanns: Entwicklungsschritte seiner Bevölkerung zu überspringen und El Salvador so gewissermaßen in die Zukunft zu katapultieren. Denn im Moment verfügen 70 Prozent der Bevölkerung des Landes nicht einmal über ein Bankkonto. 

Das ist vor allem ein Problem für diejenigen, die Angehörige im Ausland haben. Ein großer Teil des Landes ist von den Überweisungen aus dem Ausland abhängig. Mit der Nutzung von Bitcoin soll es den im Ausland lebenden Salvadorianern erleichtert werden, Geld an ihre Familien in der Heimat zu schicken. Bislang gehe bei Überweisungen ein „großer Teil dieser sechs Milliarden Dollar an Vermittler verloren“, sagte Bukele. Eine entsprechende App steht bereits seit dem März dieses Jahres bereit, denn über ein Mobiltelefon verfügen nahezu sechzig Prozent der Bevölkerung. 

Kein Zweifel, Bukele hat großes vor mit seinem Land. Das läßt er auch jeden im Ausland wissen. Er habe „kein Interesse an Entwicklungshilfe oder moralischen Ratschlägen“, verkündete er unlängst dem versammelten diplomatischen Corps. Stattdessen wolle er „sein Land nach vorne bringen und fairen Handel treiben, anstatt wie ein Schuljunge behandelt zu werden.“ 

Eine Spitze in Richtung der Vereinigten Staaten. Denn die Biden-Administration sieht den jungen Staatschef kritisch. Ein großer Teil seiner Minister sei „korrupt“ verkündete das US-Außenministerium in einer Stellungnahme. 

Doch vor allem sorgen sich die US-Demokraten um den „Autoritarismus“ des Präsidenten. Amerika als Ordnungsmacht habe die „Kraft und die Verantwortung“ das „Abrutschen des Landes in den Trumpismus“ zu verhindern, forderte der liberale Sender NPR in einer Sondersendung nach der Präsidentschaftswahl. Doch Bukele ficht diese Drohung nicht an. Er „verlasse sich auf das Volk“, denn das habe ihm schließlich die Macht gegeben und nicht „jemand anderes“. 

Foto: Nayib Bukele: Eine Mischung von Elon Musk und Donald Trump