© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Stumpfe Fatwa-Politik
Iran: Nur die Hardliner freuen sich über die Wahl Ebrahim Raisis – die geringe Wahlbeteiligung blenden sie aus
Marc Zoellner

Dem neuen iranischen Präsidenten als erster zu gratulieren wollte Wladimir Putin sich nicht nehmen lassen: „Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sind traditionell freundschaftlicher und gutnachbarschaftlicher Art“, schrieb der russische Präsident dem frisch gekürten Ebrahim Raisi vergangenen Samstag nur wenige Minuten nach der offiziellen Verkündung des Ergebnisses der iranischen Präsidentschaftswahl. 

Mit der Wahl Raisis zum neuen iranischen Präsidenten, betonte Putin, „erfüllen sich die Interessen des russischen wie des iranischen Volkes, in Einklang mit dem Wunsch nach Stärkung der regionalen Sicherheit und Stabilität.“ Daß Rußland von allen dem Iran noch Verbündeten zuerst gratulierte, dürfte Raisi von daher mit ganz besonderer Freude erfüllt haben. Denn Putins eigentliche Botschaft hinter den Glückwünschen an Teheran las sich überdeutlich nach außenpolitischer Kontinuität beider Staaten, gerade und speziell bei der Partizipation im syrischen Bürgerkrieg.

Allein ein Blick auf das iranische Wahlergebnis bestätigt, daß Raisi als neuer iranischer Präsident jeden einzelnen seiner Verbündeten händeringend gebrauchen kann. Im eigenen Land haben die schiitischen Theokraten um den „Obersten Führer“ Ali Chamenei nämlich längst die Sympathien der Mehrheit verspielt. Anwärter, die auch nur in den Verdacht gerieten, den Hardlinern des iranischen Systems kritisch gegenüberzustehen, wurden vom Wächterrat systematisch aus den Wahllisten gestrichen.

Dem iranischen Regime half diese Fatwa des „Obersten Führers“ nicht viel: Gerade einmal 48,8 Prozent aller Iraner gingen überhaupt zur Wahl. Zum Boykott aufgerufen hatten Reformisten und Liberale, aber auch Ultrakonservative wie Ahmadinedschad. Von 60 Millionen möglichen Stimmen erhielt Ebrahim Raisi gerade einmal 17,9 Millionen – 62 Prozent der abgegebenen, 30 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz, noch vor sämtlichen scheinoppositionellen Gegenkandidaten, landeten mit beinahe 4,2 Millionen abgegebenen Stimmen die ungültigen Wahlzettel, was im Ergebnis gut 14 Prozent der Stimmanteile entsprach. Für Abdolnaser Hemmati als einzigen zugelassenen Kandidaten der Reformer stimmten lediglich 2,4 Millionen Iraner.

Der erzwungene Sieg Raisis ist ein Sieg der Hardliner auf ganzer Linie: Immerhin gilt Raisi als möglicher Nachfolger des hochbetagten Ali Chamenei. Seit seiner führenden Beteiligung an der Hinrichtung Tausender iranischer Oppositioneller im Sommer 1988 steht Raisi unter Sanktion der USA. Seine außenpolitischen Ambitionen nach der Präsidentschaftswahl werden dementsprechend aggressiv eingeschätzt.