© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Als wäre nichts gewesen
USA/Rußland: Dem Hoch in den bilateralen Beziehungen auf dem Gipfeltreffen in Genf folgt der altbekannte Katzenjammer
Liz Roth

Mit Spannung hatte die Welt das erste Gipfeltreffen des neuen US-Präsidenten Joe Biden mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Genf erwartet. Die dreistündigen Gespräche wurden von beiden Lagern positiv kommentiert und auch die internationale Presse zog ein lobendes Fazit. Doch nur wenige Tage später planen die Vereinigten Staaten weitere Sanktionen gegen Rußland. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan bestätigte dies am vergangenen Sonntag gegenüber dem US-Fernsehsender CNN und nannte die Vergiftung des inhaftierten Oppositionsführers Alexej Nawalny im vergangenen Jahr als Grund.

„Wir bereiten ein weiteres Paket von Sanktionen vor, die in diesem Fall angewendet werden sollen“, sagte Sullivan bei CNN’s State of the Union. „Wir haben die ganze Zeit über gezeigt, daß wir uns nicht zurückhalten werden, wenn es um Wahleinmischung oder um Nawalny geht, auf Rußlands schädliche Aktivitäten zu reagieren.“

USA kündigen dritte Sanktionswelle an 

Die Sanktionen werden kommen, „sobald wir das Paket entwickelt haben, um sicherzustellen, daß wir die richtigen Ziele erreichen“, fügte er hinzu. „Wenn wir das tun, werden wir ebenfalls Sanktionen in bezug auf chemische Waffen verhängen.“

Seit ihrer Amtsübernahme im Januar hat die Biden-Regierung bereits zwei Runden Sanktionen gegen den Kreml verhängt. Die ersten Sanktionen wurden gegen russische Diplomaten im März aufgrund der Vergiftung und Inhaftierung von Navalny verhängt. Einen Monat später reagierte die Regierung auf das Ausspionieren von Daten durch russische Akteure mit der Ankündigung weiterer Sanktionen, darunter Strafen gegen Dutzende kremlnahe Staatsdiener, die Ausweisung von zehn russischen Diplomaten, Beschränkungen für den Kauf von Staatsschulden.

Biden hatte sich bereits nach dem Gipfeltreffen zu Nawalny geäußert und erklärte, wenn der 45jährige, der Putin seit langem der Korruption beschuldigt, in der Gefangenschaft sterben würde, würden die Vereinigten Staaten Vergeltung mit „verheerenden Folgen für Rußland“ üben.  

Als Reaktion auf die Nachricht von zusätzlichen Sanktionen sagte der russische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Anatoli Antonow, daß es „kein Signal ist, das wir alle nach dem Gipfel erwartet haben.“

„Ich glaube nicht, daß es möglich ist, die Beziehungen zwischen den Ländern mit Hilfe von Sanktionen zu stabilisieren und zu normalisieren“, so Antonow nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS. „Die aktuelle Aufgabe besteht darin, den Dialog zu normalisieren. Zuallererst müssen wir die zerstörten Dialogmechanismen wiederherstellen.“

Die Ukraine bleibt weiter Streitpunkt nummer eins

Anatoli Antonow war nur wenige Stunden zuvor, am vergangenen Wochenende, von Moskau nach Washington zurückgekehrt. Vor einem Monat hatte der Kreml ihn nach Rußland zurückgerufen, nachdem Präsident Joe Biden die Frage eines Korrespondenten von ABC News, ob er glaube, der russische Präsident sei „ein Mörder“, bejaht hatte. 

Der US-Botschafter in Moskau, John Sullivan, war bereits im April zurückgerufen worden. Auch er plante nach dem positiven Gipfel in Genf, zeitnah nach Rußland zurückzukehren.

Nach ihrem Treffen hinter verschlossenen Türen hatten sich beide Staatsoberhäupter versöhnlich gezeigt und einen neuen Kurs in den Beziehungen angekündigt. Biden lobte Putin während der Pressekonferenz nach ihrem Treffen, als „ausgeglichen und professionell“ und fügte hinzu, daß er „sehr erfahren“ sei. Laut Berichten der Moskau Times äußerte sich Putin im nachhinein ebenfalls positiv über seinen Amtskollegen gegenüber Reportern in Moskau. „Das Bild von Präsident Biden, das uns von ihnen präsentiert wird, und sogar was die amerikanische Presse über ihn darstellt, hat nichts mit der Realität zu tun“, so Putin. „Biden ist ein Profi, man muß sehr aufmerksam sein, wenn man mit ihm arbeitet, um nichts zu verpassen – denn ihm entgeht nichts, glauben sie mir.“

Trotzdem zeigt sich nun, daß vieles nicht geklärt wurde. Auch die Ukraine bleibt weiterhin ein Punkt der Dissonanzen. „Wir werden die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unbeirrt unterstützen“, betonte Biden gegenüber Putin in Genf. 

Nun soll, laut Politikmagazins Politico, ein 100- Millionen-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine vorerst eingefroren worden sein. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, wandte sich zwar gegen die Charakterisierung und betonte, daß bereits vor dem Gipfel über 150 Millionen Dollar von den USA bereitgestellt worden waren, verneinte aber nicht den Bericht. 

Das Pentagon hat alleine in diesem Jahr über 275 Millionen US-Dollar an Hilfspaketen in die Ukraine geschickt, um das Militär im Kampf gegen die von Rußland unterstützten Separatistenkräfte zu unterstützen. Rußland bestreitet zwar eine aktive Militärpräsenz an seiner Grenze zur Ukraine, aber laut Berichten von Politico auf Berufung auf  Berichte von Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sollen weit über 100.000 Soldaten im Grenzgebiet stationiert sein.