© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Deutsche Unternehmen zahlen pro Jahr 550 Millionen Euro Strafzinsen
Unheilvolle Geldpolitik
Joachim Starbatty

Die Zinsen bewegen sich auf einem historisch niedrigen Niveau. Die EZB verlangt Strafzinsen von Banken, wenn sie ihre Überschüsse bei ihr parken. Die Geldinstitute geben diese Kosten an ihre Privatkunden weiter, teilweise schon bei Guthaben ab 5.000 Euro werden 0,5 Prozent „Verwahrentgelt“ fällig. Auch Unternehmen sind betroffen. Zinsstatistiken der Bundesbank belegen, daß sie jährlich etwa 550 Millionen Euro Strafzinsen auf ihre Bankeinlagen zahlen.

Die EZB will mit Strafzinsen Geschäftsbanken zu erhöhter Kreditvergabe an Unternehmen nötigen. Die Ankäufe von Staatsanleihen pumpen Liquidität in die Märkte. Die Euro-Schuldnerländer konnten so ihre Haushalte billig finanzieren, doch die unternehmerische Tätigkeit wollte nicht anspringen. Zentralbanken können die Tröge mit Liquidität füllen, doch saufen müssen die Pferde selbst. Weil zu wenige Pferde das tun wollten, reichen Banken, um den Strafzinsen zu entgehen, Liquidität an wackelige Firmen weiter. Diese erhalten so „Zombie-Unternehmen“ am Leben, die bei üblicher Kredittätigkeit längst Konkurs anmelden müßten. Das wird den Banken noch auf die Füße fallen. Die Existenzsicherung von Zombies gefährdet ihre eigene Existenz, weil sie bei ansteigenden Zinsen selbst notleidend und zu Zombie-Banken werden können.

 Die Gefahr steigender Geldentwertung und Zinsen ist real. Inflation ist und bleibt ein monetäres Phänomen. Geldmengenaufblähung ist Inflation. Bisher ist sie noch nicht bei den Verbrauchern angekommen, sondern hat die Vermögenspreise besonders auf Immobilien- und Aktienmärkten nach oben getrieben. Wann schwappt die Liquiditätsschwemme auf die Verbrauchermärkte über? Dieses Jahr rechnen Experten mit einem Preisanstieg von bis zu 4,5 Prozent. Dafür werden Einmaleffekte geltend gemacht: Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung, die CO2-Bepreisung, höhere Ölpreise und Lieferengpässe bei Baumaterialien. Aber treten diese Einmaleffekte eine inflationäre Lawine los? Im Mittelalter produzierten die Münzherren eine Geldschwemme, indem sie durch Verringerung des Edelmetallanteils doppelt so viele Münzen in Umlauf brachten. Dieser Qualitätsverlust fiel den Geldnutzern auf; die höherwertigen Münzen wurden gehortet, und die Produzenten verlangten höhere Preise bei minderwertigen Münzen. Eine Münzverfälschung kann heute nicht mehr nachgewiesen werden: Bedrucktes Papier bleibt Papier, auch wenn mehr Nullen draufstehen. Verlieren die Menschen dagegen ihre Geldillusion, werden sie ihr Geld in Waren umtauschen wollen.

Die erhöhte Umlaufgeschwindigkeit des Geldes triebe dann zusätzlich die Preise nach oben. Entscheidend ist auch das Verhalten der Gewerkschaften, Ist die Inflation in den Portemonnaies der Verbraucher angekommen, dann werden die Gewerkschaften von ihren Mitgliedern zu höheren Lohnabschlüssen gezwungen. Dann käme, was längst vergessen schien, eine Preis-Lohn-Spirale in Gang und danach eine Lohn-Preis-Spirale. Die EZB wäre machtlos, so sagt uns Ex-Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, da sie die geldpolitischen Zügel zu lange und zu reichlich habe schießen lassen. Wenn sie die Zügel anziehe, bliebe der notwendige Bremseffekt aus. Es stehen uns geldpolitisch interessante Zeiten ins Haus. Nach chinesischer Lesart ist das als Fluch zu verstehen.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.