© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Inflation zieht massiv an
Wirtschaftsstatistik: Energiepreise sind um 13,1 Prozent gestiegen
Elias Huber

Offiziell ist die Geldentwertung in der Eurozone kein Problem: Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat nur um zwei Prozent. Damit liegen sie nur knapp über dem Ziel der EZB. Die sogenannte Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel stieg laut Eurostat sogar nur von 0,7 auf ein Prozent. Die Energiepreise legten zwar in den 19 Euro-Staaten um 13,1 Prozent zu, aber dies habe seinen Grund vor allem in dem Einbruch der Energiepreise während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020.

Doch in Wahrheit kommt die Inflation mit Riesenschritten – vor allem in Deutschland. Im Mai verteuerten sich gewerbliche Produkte so sehr wie seit der Finanzkrise 2008 nicht. Innerhalb eines Jahres stiegen die Erzeugerpreise um satte 7,2 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Haupttreiber waren die Preise von Vorleistungsgütern und Energie. Etwa verteuerten sich Eisenerzimporte (76,8 Prozent), gesägtes und gehobeltes Holz (38,4 Prozent), Metalle (23,1 Prozent) und chemische Grundstoffe (17,9 Prozent). Energie kostete 14,9 Prozent mehr als vor einem Jahr (JF 25/21).

Libertäre Ökonomen warnen sogar schon vor Stagflation

Der Lebensmittelpreis-Index der FAO stieg im Mai um knapp 40 Prozent zum Vorjahresmonat. Allein seit April erhöhten sich die Preise um satte 4,8 Prozent – das sei der höchste Monatsanstieg innerhalb von über zehn Jahren, teilte die UN-Agrarbehörde mit. Insgesamt steht der Index so hoch wie seit September 2011 nicht. Für Gunther Schnabl ist das erst der Anfang. „Erzeugerpreisindizes erfassen Inflationstendenzen in einer sehr frühen Phase des Wirtschaftsprozesses – nämlich direkt bei den Produzenten“, erklärte der Leipziger VWL-Professor in der Wirtschaftswoche. Sie seien „eine Art Frühindikator für den Inflationsdruck“, bevor dieser den Verbraucher erreiche. Destatis verweist auf die steigende Nachfrage im In- und Ausland und die Lieferengpässe bei Rohstoffen, um die Verteuerungen zu erklären.

Die im Januar eingeführte „CO2-Bepreisung“ heize außerdem die Heiz- und Kraftstoffpreise an. Doch sind das die einzigen Gründe? Auch die Geldpolitik leistet einen bedeutenden Beitrag: Die EZB hat ihre Bilanzsumme von 4,7 auf 7,7 Billionen Euro ausgeweitet. Bei der US-Fed verdoppelte sich der Wert der Vermögensgegenstände auf 8,1 Billionen Dollar. Der Geldüberhang ergießt sich angesichts der Corona-Lockerungen nun in die Realwirtschaft – etwa über die Hilfsgelder und Konjunkturprogramme der Regierungen.

Ökonomen der libertären Österreichischen Schule, etwa Philipp Bagus oder Schnabl, warnen vor Stagflation – also hoher Inflation bei stagnierendem Wirtschaftswachstum. Zwar werde es kurzfristig einen Nachholeffekt beim Konsum geben, weil die Verbraucher während des Lockdown viel gespart hätten und nun die Restaurants und Hotels wieder öffneten, aber der „Post-Corona-Aufschwung ist in Deutschland keinesfalls gesichert“, so Schnabl.

Im Herbst drohen erneute Lockdowns und schärfere Klimagesetze. Das drückt auf die Produktivität der Unternehmen. Die Lohnstückkosten dürften steigen, was Firmen über höhere Preise auf die Verbraucher abwälzen könnten. Auch die zerrütteten Lieferketten könnten die Wirtschaft weiter ausbremsen. Würden die Zentralbanken die Geldschöpfung verlangsamen oder die Corona-Hilfen auslaufen, dürfte eine Pleitewelle folgen. Zahlen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform deuten auf einen Insolvenzstau in Westeuropa hin.

Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Pleiten um ein Viertel auf 120.000. Das sei „so gering wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr“. Eine restriktivere Geldpolitik würde die Zinsen für Staatsanleihen und die Kreditzinsen nach oben treiben, was Unternehmen und hochverschuldete Staaten in Probleme bringen dürfte. Die EZB will diese von Ökonomen angemahnte notwendige Gesundung der Wirtschaft unbedingt verhindern, weil ansonsten die politisch gewollte Euro-Währungsunion aufbrechen könnte. Die Zeichen stehen also weiter auf Inflation.